Hamburg. Die Erleichterungen für die Gastronomie sind ein wichtiger und richtiger Schritt. Wie sich Hamburger jetzt verhalten sollten.

Kritik ist immer leicht: Manchen gehen die Lockerungen in der Pandemie nicht schnell genug, andere empfinden die schrittweise erfolgten Öffnungen für Stadt und Land als übertrieben und damit gefährlich. Wenn von beiden Seiten Kritik kommt, so weiß es eine alte politische Regel, dürfte die Richtung stimmen.

So darf man die großen Linien der Hamburger Politik in Zeiten von Covid-19 durchaus loben: Die Herausforderungen waren und sind gewaltig, unser Wissen zum Virus ist noch gering. Politik lebt vom Augenmaß. Zum einen wäre gefährlich, den Menschen zu suggerieren, die Gefahr durch das Coronavirus sei inzwischen zu vernachlässigen. Lockerung bedeutet nicht Lässigkeit.

Zum anderen muss Politik nun verstärkt die Nebenwirkungen der Therapie in den Blick nehmen. Die ökonomischen und damit im weiteren Verlauf auch sozialen Verwerfungen sind dramatisch. Wer noch immer glaubt, die Wirtschaft sei stark genug, um zwei Monate Stillstand locker wegzustecken, dem ist kaum zu helfen.

Corona-Lockerungen eher kommunzieren!

Es könnte sich noch rächen, dass bis hinauf zur Bundesregierung die Minister immer wieder glauben gemacht haben, mit schier unerschöpflich fließenden Steuermilliarden sei jedes Loch zu flicken, das das Virus in unsere Innenstädte und Gastromeilen, in unser soziales und gesellschaftliches Netz reißt. Schön wär’s. Dabei sind alle gefordert – nicht nur die Finanzpolitiker.

Die Lockerungen für die Gastronomie sind deshalb richtig. Schwer verständlich bleibt, warum die Maßnahmen nicht schon in der vergangenen Woche kommuniziert wurden: Es ist extrem schwierig, so kurzfristig die neuen Hygiene-Anforderungen des Senats zu erfüllen, das Personal zu schulen, einzukaufen und alles für den Neustart vorzubereiten. Andererseits hätte ein noch späterer Starttermin den Not leidenden Gastronomen noch weniger geholfen.

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    Ohnehin wird der Neustart kein Selbstgänger. Die Kaffeehausbetreiber und Köche haben nun deutlich höhere Kosten allein durch die Hygiene-Anforderungen. Die Umsätze hingegen dürften zunächst sinken. In den Bundesländern, wo Kneipen und Cafés schon geöffnet haben, berichten die Inhaber von deutlichen Rückgängen. Diese Schere könnte viele Unternehmen bald in die Insolvenz treiben. Wie wichtig indes die Gastronomie für die Gesellschaft und die Lebensqualität ist, wurde in den Zeiten des Einfrierens überdeutlich.

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    Um dieses Kulturgut zu retten, müssen alle mithelfen. Zunächst die Gastronomen mit klugen und angemessenen Konzepten. Dann die Politik einerseits mit Steuererleichterungen – besser als die Gießkanne wirkt hier die Mehrwertsteuersenkung, weil sie treffsicherer ist – und mit Entbürokratisierung andererseits. Die Bonpflicht könnte verschoben werden, die Außengastronomie beispielsweise großzügiger genehmigt werden. Es geht nicht um Wildwuchs, sondern um faire Chancen.

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      Am Ende aber werden alle Lockerungen nur erfolgreich sein, wenn sich die Gäste wieder in Restaurants, Gaststätten und Eckkneipen wagen. Wem an einer lebendigen Gastroszene gelegen ist, sollte ausgehen – oder vielleicht Gutscheine verschenken, wenn die Angst noch zu groß ist. Zugleich gilt aber auch: Wer ausgeht, muss sich an die Regeln halten. Auch mit 1,5 Promille gelten 1,5 Meter Abstand. Darin liegt womöglich die größte Herausforderung.

      Corona zwingt uns alle zum langsamen Vorantasten, zu Versuch und Irrtum. Hamburg ist dabei auf dem richtigen Weg. Zugleich aber wird immer klarer: Wer die Kneipen an der Ecke und die Restaurants öffnet, dem gehen bald die Argumente aus, warum Schulen und Kindergärten weiter nur im gedrosselten Betrieb fahren.