Hamburg. Große Gefühle im Volkspark: Die 16 Heimspiele des HSV in diesem Jahr beweisen: Es sind die Fans, die den Club am Leben erhalten.

Es war ein kalter Mittwochabend im Hamburger Schneeregen, als der HSV am 30. Januar dieses Jahres den SV Sandhausen zum ersten Heimspiel 2019 empfing. Die Hamburger spielten vor 36.564 Zuschauern eine starke erste und eine schwache zweite Halbzeit. Das reichte, um Sandhausen durch zwei Tore von Pierre-Michel Lasogga mit 2:1 zu schlagen und die „Mopo“ zum Kommentar zu veranlassen: „Der HSV ist zu groß für diese kleine Liga.“

Rund zehn Monate später kommt nun der 1. FC Heidenheim zum letzten Heimspiel des Jahres in den Volkspark. Der HSV spielt noch immer in der Zweiten Liga. Und trotzdem klingen die Worte des Vereinschefs der Gäste im Dezember so ähnlich wie der „Mopo“-Kommentar im Januar: „Der HSV hat in der Zweiten Liga nichts zu suchen“, sagte Heidenheims Vorstandsvorsitzender Holger Sanwald in dieser Woche – und liegt damit falsch. Was man nach bislang 16 Heimspielen in diesem Jahr sagen kann, ist Folgendes: Der HSV ist in dieser kleinen Zweiten Liga schon lange angekommen. Und das ist gar nicht mal so negativ gemeint.

Rund 42.000 Zuschauer werden am Freitagabend trotz nur 400 Mitreisenden aus Heidenheim im Volksparkstadion erwartet. Das sind mehr als etwa vor zwei Jahren, als der HSV zum letzten Heimspiel des Jahres Eintracht Frankfurt empfing und vor 40.983 Zuschauern mit 1:2 verlor. Von einem Zuschauerschwund kann beim HSV also keine Rede sein. 47.777 Fans kamen im Jahr 2019 bislang durchschnittlich in den Volkspark. Das ist nur geringfügig weniger als im Jahr 2018, als der erstmalige Abstieg sogar zu einem Zuschaueranstieg führte.

HSV-Emotionen entladen sich in besonderen Momenten

Für die Fans ist es offensichtlich nicht mehr entscheidend, ob der Gegner Eintracht Frankfurt heißt oder Heidenheim. Es sind auch schon lange nicht mehr die eigenen Spieler, die die Identität des HSV prägen und die Fans in das Stadion locken. Es sind die Fans selbst, die mit ihrer Emotionalität den Volkspark noch immer zu einem besonderen Ort machen und diesen Club am Leben erhalten. Anders ist diese Treue der Anhänger ja auch nicht zu erklären. 55.000 Fans sahen den HSV in diesem Jahr 2:3 gegen Darmstadt verlieren, 52.000 kamen zu einem 1:1 gegen Aue, 51.000 wollten das 0:3 gegen Ingolstadt sehen. Fast alle von ihnen kamen wieder. Das wird auch im kommenden Jahr so sein, wenn das Team von Trainer Dieter Hecking heute nicht gegen Heidenheim gewinnt.

Das gemeinsame Leiden in schlechten Zeiten ist ein großer Teil der Fan-Identität geworden. Das sich dann immer mal wieder entlädt in diesen ganz besonderen HSV-Momenten. So etwa, als Bakery Jatta im September gegen Hannover sein erstes Tor nach der Debatte um seine Identität erzielte und nach seiner Auswechslung vor der Nordtribüne mit Standing Ovations gefeiert wurde.

Nach seinem Tor gegen Duisburg musste Fiete Arp mit den Tränen kämpfen.
Nach seinem Tor gegen Duisburg musste Fiete Arp mit den Tränen kämpfen. © Reuters | Fabian Bimmer

Oder als sich Fiete Arp in seinem letzten Spiel für den HSV im Mai nach seinem Tor mit Tränen in den Augen vor den Anhängern verneigte. Und diese ihm zujubelten, obwohl er ihnen seine Unterschrift beim FC Bayern München über Monate verheimlicht hatte. Beim HSV, und das ist eine Erkenntnis des Heimspieljahres 2019, geht es nicht mehr darum, ob die Spieler auf dem Rasen Fiete Arp, Pierre-Michel Lasogga, Lewis Holtby oder Sonny Kittel heißen. „Von Hamburg wird nichts bleiben“, sagte exemplarisch jener Holtby, der noch zehn Monate zuvor eine lebenslange Mitgliedschaft beim HSV abgeschlossen hatte.

Im Volkspark hat sich vieles geändert

Was sonst noch bleibt vom Heimspieljahr des HSV? Lotto King Karl singt nicht mehr auf seinem Kran. Die Ultragruppe Poptown hat sich aufgelöst und gibt nicht mehr den Ton in der Kurve an. Die berühmte Stadionuhr wurde abmontiert und tickt nicht mehr. Hat sich dadurch am Stadionerlebnis beim HSV irgendetwas verändert? Ganz sicher nicht. Auch diese Veränderungen zeigen, dass es beim HSV nicht darum geht, wer das Stadionlied singt, welcher Stürmer die Tore gegen Sandhausen schießt oder ob der Gegner nun Fürth oder Frankfurt heißt. Es geht darum, dass der HSV eines noch immer auslösen kann: Gefühle.

Am 30. Januar 2020 kommt übrigens der 1. FC Nürnberg in den Volkspark. Und wenn man eines sicher sagen kann nach diesem Heimspieljahr, dann das: Die Fans werden wieder da sein.​

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