Hamburg. Wertvolles Manuskript einer Erzählung des großen Autors in Hamburg unter dem Hammer. Warum solche Schätze fast nie in den Handel gelangen.

Ein Privatsammler hat am Sonnabend in Hamburg ein Originalmanuskript und einen Brief des berühmten Schriftstellers Franz Kafka ersteigert. Für stolze 286.000 Euro. Und damit mehr, als Christian Hesse, der die beiden Dokumente im Rahmen seiner „Herbstauktion 30“ anbot, als Schätzpreis – also den nach Expertenmeinung realistischerweise zu erzielenden Preis – genannt hatte. Hesse sprach im Vorfeld der Auktion beim Auktionshaus Hesse von 280.000 Euro.

„Eine armselige Sache“ nennt der Briefschreiber Kafka selbst sein Werk. „Wenn es Sie nur eine kleine Überwindung kosten würde, es zu drucken, zerreissen Sie ruhig das Manuskript, ich brauche es nicht.“ Mehr als ein Jahrhundert später zählt Franz Kafka zu den bedeutendsten Schriftstellern des 20. Jahrhunderts, und der Brief sowie das angeblich nicht mehr benötigte Manuskript sind zusammen einen sechsstelligen Betrag wert. Dem Privatsammler, der sie ersteigert hat, eben jene 286.000 Euro.

Auktion in Hamburg: Warum das Manuskript von Franz Kafka eine Rarität ist

Hesse zufolge ist besonders das Autograf der Erzählung eine Rarität. „Es gibt immer einmal und Briefe von Kafka im Handel“, sagt er, „aber literarische Manuskripte fast nie.“ Das liegt daran, dass Kafka seinen Freund Max Brod angewiesen hatte, nach seinem Tod alle seine Manuskripte zu verbrennen. Zugleich wusste er genau, wie ergeben Brod ihm war, das geht auch aus dem Brief hervor: „… alles was ich ihm vorlese, erzähle ich in den schönen Traum hinein, den er von mir träumt und es wird gleich traumhaft erhöht“, heißt es da.

Der besagte Bogen ist gelocht, mitten durch die schwarze Handschrift hindurch. Ein bürokratisches Allerweltsphänomen, nur ist das bräunlich-mürbe Papier eine Kostbarkeit. Was allerdings im Frühjahr 1922 in der Poststelle des Kurt Wolff Verlags allerdings noch keiner ahnen konnte. Damals war es einfach nur das Begleitschreiben, mit dem ein Autor seinem Fürsprecher im Verlag Kurt Wolff das Manuskript seiner Erzählung „Erstes Leid“ ans Herz legte. Also vermerkte der oder die Poststellengewaltige mit Bleistift den Namen des Absenders auf der ersten Seite und unterstrich ihn rot: Kafka. Damit die Sekretärin das Schreiben gleich zuordnen konnte.

Kafka-Briefe
„Eine armselige Sache“ nennt Franz Kafka seine Erzählung „Erstes Leid“. Wenn er sich da mal nicht getäuscht hat. © Familie Mardersteig | Familie Mardersteig

Herbstauktion in Hamburg: Warum Kafka-Manuskripte in der Vergangenheit von der Bildfläche verschwanden

Der Auktionator glaubt nicht daran, dass Kafka das Verbrennen wirklich wollte. „Er hat das zu Leuten gesagt, von denen er wusste, dass sie sich nicht daran halten würden.“ Die Manuskripte verschwanden trotzdem von der Bildfläche. Viele nahm Max Brod mit ins Exil, als er 1939 vor den Nazis aus Prag fliehen musste, andere wurden von der Gestapo beschlagnahmt.

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Einen so unterwürfigen Ton hätte Kafka dem Verlag gegenüber nicht anzuschlagen brauchen, schließlich hatte ihn der Verleger immer wieder gedrängt, etwas zu schreiben. Anfang 1922 überwand der Schriftsteller seine mehrjährige Schreibblockade; der Brief stammt vermutlich von April 1922.

„Erstes Leid“ erschien im Herbst 1922 in der Kunstzeitschrift „Genius“, die der Adressat des Briefs, Hans Mardersteig, im Verlag Kurt Wolff herausgab – mit einem für heutige Verhältnisse unvorstellbaren gestalterischen Aufwand, die Illustrationen wurden sogar einzeln eingeklebt. Nur wenige Tage nach Kafkas Tod im Juni 1924 erschien die Erzählung ein weiteres Mal als Teil des Bandes „Der Hungerkünstler“ im Berliner Verlag Die Schmiede. Kafka hatte noch selbst Korrektur gelesen.

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