Hamburg. Filmemacherinnen sprachen für „Was der Knast aus Dir macht“ mit Häftlingen und Beamten in Fuhlsbüttel. Wie authentisch kann das sein?

„Ein Mann, der nix mehr zu verlieren hat, ist in meinen Augen gefährlich“, sagt einer der Beamten der JVA Fuhlsbüttel einmal. In Santa Fu, wie der Volksmund das Gefängnis seit Langem nennt, sind Mörder, Missbraucher, Gewalttäter, Schwerverbrecher. Oder wie ein anderer Beamter sagt, „das ist schon Qualität, was hier sitzt“. Und noch mal anders formuliert: In Santa Fu ballen sich kriminelle Energie, Aggression, Frust, Testosteron.

Es ist ein reiner Männerknast, den die Filmemacherinnen Annika Blendl und Leonie Stade für ihre filmische Studie „Was der Knast aus Dir macht. Santa Fu“ (ab 20.1. abrufbar in der ARD-Mediathek) besucht haben.

Ein Blick in die Lebenswelt hinter Gittern, eine Schilderung des Alltags mit den Mitteln der Fernsehdokumentation, der hier auch eine speziell hamburgische Angelegenheit ist. Das merkt man am breiten Norddeutsch der JVA-Bediensteten, und von den Inhaftierten gehören nicht wenige zum hiesigen Milieu, zu den Clans und Familienbanden.

Männerknast Santa Fu: Wenig Plattitüden, verfremdete Gesichter

Aus Krimis und anderen fiktionalen Knast-Besichtigungen weiß man um Regeln, Feindschaften, Allianzen, um Drogen und Gewalterfahrungen. Was das angeht, vermittelt der Film nichts Neues. Aber Plattitüden à la „Der Alltag im Gefängnis ist trist“ sind dennoch die Ausnahme. Beim Sportfest – einer Auszeit vom Einerlei der sonstigen Tage –, in der Zelle, beim psychotherapeutischen Angebot ist die Kamera dabei.

Oft sind die Gesichter der Inhaftierten verfremdet. Oder die Stimme, wie im Falle eines Mannes in Isolationshaft, der aufgrund einer Bedrohungslage aus dem Normalvollzug genommen wurde. Er brüllt und beleidigt dann weiter. Tür zu, Chance vertan, er kommt erstmal nicht raus.

Die Doku hat ihre starken Momente, wenn sie versucht, den Menschen hinter dem Täter zu sehen. Die ganz harten Brocken, die Uneinsichtigen, haben nicht mit den Filmemacherinnen gesprochen. Es sind die, die sich tatsächlich resozialisieren wollen, die in Gesprächsrunden gehen, sich bessern wollen. Ein 45-Jähriger erzählt, dass er das Aufwachsen seiner Kinder verpasst, „mir läuft die Zeit weg“.

Das Schließgeräusch morgens und abends umrahmt den maximal durchgetakteten Tag, 6 Uhr raus, sieben Stunden arbeiten, nachmittags Freizeit, 18.30 Uhr Zelleneinschluss. Fast keiner redet darüber, warum er hier ist und wie lange insgesamt. Scham ist ein Grund, der andere die Sorge, aufgrund der Mitteilsamkeit keine neue Chance zu bekommen.

JVA Fuhlsbüttel: Die berühmte Fußballmannschaft – 90 Minuten Freiheit

290 Bedienstete für 350 Häftlinge: Es kommen JVA-Ehemalige zu Wort und die Beamten, die noch Dienst tun. Der JVA-Chef und auch der Trainer der berühmten Knast-Fußballtruppe, die in Hamburgs Kreisliga B antritt. Im Kontext der Bilder aus den Gefängnisräumen (dazu viele Töne in Moll, ein bewölkter Himmel) glaubt man seinen Worten von den 90 Minuten Freiheit, die die Häftlinge auf dem Platz finden, noch mehr.

Authentizität ist eine schwer fassbare Kategorie, wenn man sich als Filmemacherin (aus guten Gründen) nicht frei auf dem Gelände bewegen kann. Zu spontanen Begegnungen und einer ungefilterten „Wahrheit“ kann es so nicht kommen.

Aber einmal passiert doch etwas Unvorhergesehenes, als ein junger Knacki seinen Frust rauslässt – Schimmel in den Zellen, kein Angebot zur Fortbildung, zum Schulabschluss. Worauf der pensionierte Beamte trocken antwortet: „Sie müssen erst einmal zuhören lernen. Und wie soll ich hier sagen: ‘Mach das doch mal bitte’. Es ist hier ja nicht wie zu Hause.“

Santa Fu: Resozialisierung ist der Auftrag der JVA Fuhlsbüttel

Dass Beamte ihre Eindrücke wiedergeben, schärft dann doch den Blick. Menschen, die durchaus Gefahrensituationen ausgesetzt sind, mit Mördern zu tun haben und Angstmomente kennen, sagen Dinge wie: „Die Leute sind ja nicht uninteressant, das macht ja viel Spaß mit denen.“

Es sei ein sinnstiftender Job, sagt eine Beamtin. Man kann es schaffen, aus in Santa Fu einsitzenden Häftlingen Menschen zu machen, die keine Gefahr mehr für die Allgemeinheit darstellen und sich wieder in die Gesellschaft eingliedern. Resozialisierung eben, der Auftrag der JVA Fuhlsbüttel.