Hamburg. In zwei denkmalgeschützten Hafthäusern sollen eine KZ-Gedenkstätte, ein Hotel und Wohnungen entstehen. Wann Baustart sein könnte.
Es ist eines der spannendsten Bauprojekte Hamburgs – und es wird eines mit der längsten Planungsdauer: Die denkmalgeschützten Haftgebäude Haus I und Haus III der Justizvollzugsanstalt (JVA) Fuhlsbüttel sollen aus dem Gefängnisareal ausgegliedert und neu genutzt werden. Außerdem sollen knapp 200 Wohnungen errichtet werden, weil die JVA auf rund ein Viertel seiner Fläche – 40.000 Quadratmeter – verzichtet.
Erste Planungen zur Umgestaltung hatte der damalige Justizsenator Till Steffen (Grüne) vor vier Jahren vorgestellt. Vor drei Jahren unterzeichneten Steffen, die städtische Wohnungsbaugesellschaft Sprinkenhof GmbH und der Bezirk Hamburg-Nord einen „Letter of Intent“ (Absichtserklärung, die Red.) zur Realisierung des Projekts, für das die Sprinkenhof eine Machbarkeitsstudie bis 2021 erstellen sollte.
Jetzt zeigt sich: Es wird noch länger als ein Jahrzehnt dauern, bis das „Quartier Santa Fu“ Wirklichkeit geworden ist. Dann werden die beiden historischen Hafthäuser mehr als 20 Jahre leer gestanden und der Zahn der Zeit an ihrer Bausubstanz genagt haben – kein Ruhmesblatt für die städtische Planung.
Santa Fu: Hier wurde auch „Soul Kitchen“ gedreht
Die Häuser I und III sind eng mit dem unrühmlichen Teil der Geschichte der Haftanstalt verbunden. Das Haus I, von 1875 und 1879 erbaut und damit das älteste erhaltene Hafthaus, ist der von außen eindrucksvolle Kreuzbau mit der roten Backsteinfassade und dem Kirchturm auf dem Dach. Der Raum der ehemaligen Anstaltskirche ist weitgehend im Original erhalten. Von 1933 bis 1945 diente das Haus I als „Polizeigefängnis“ und war Teil des Konzentrationslagers Fuhlsbüttel („KoLaFu“). Hier wurden vor allem politische Gefangene von den Nationalsozialisten brutal misshandelt, viele starben.
Das kleinere Haus III, eröffnet im Jahr 1892, ist fast im Original erhalten, aber in sehr schlechtem baulichen Zustand. Hier drehte Fatih Akin Szenen seines Films „Soul Kitchen“. Während der NS-Zeit war der Bau das „Frauengefängnis“ des Konzentrationslagers Fuhlsbüttel. Nach 1945 wurden die beiden Gebäude wieder als Gefängnis genutzt. Für die Zwecke des modernen Strafvollzugs sind die Häuser allerdings nicht mehr geeignet. Haus I steht seit 2009 leer, in Haus III war zuletzt die Verwaltung der JVA untergebracht.
JVA Fuhlsbüttel: Klassische Wohnnutzung „ausgeschlossen“
In seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage der Bürgerschaftsabgeordneten Heike Sudmann (Linke) teilt der Senat nun erstmals erste Ergebnisse der Machbarkeitsstudie der Sprinkenhof GmbH mit. „Eine Nachnutzung der Gefängnisbauten im Wege der klassischen Wohnnutzung ist wegen der historischen Bedeutung und ihres räumlichen Zuschnitts in der Machbarkeitsstudie ausgeschlossen“, schreibt der Senat. Die „Nachnutzungsansätze“ für Haus I beinhalten „Ideen für temporäre Wohnformen (zum Beispiel temporäre Micro-Appartements/Hotelnutzung) ergänzt durch mögliche gastronomische und gewerbliche Einrichtungen und quartierstabilisierende Begleiteinrichtungen“.
Haus III soll laut Senatsantwort „als Gedenkstätte in Trägerschaft der SHGL (Stiftung Hamburger Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen, die Red.) genutzt werden“. Schon lange gibt es die politische Forderung nach einer angemessen würdigenden Erinnerung an die Opfer der NS-Herrschaft auf dem Fuhlsbütteler Gelände. Bislang existiert nur eine kleine, temporär geöffnete Ausstellung zum „KoLaFu“ im historischen Torhaus des Gefängnisses.
„Quartier Santa Fu“: Mehr als 170 neue Wohnungen?
Auf den künftigen Freiflächen – nach der Ausgliederung aus dem JVA-Areal – können laut der Studie im Rahmen einer „kleinteiligen Nachverdichtung“ Neubauten mit 178 Wohnungen entstehen. Nach einer anderen Variante sind es 174 Wohnungen, wenn die Erdgeschosse gewerblich genutzt werden. Im Großen und Ganzen stimmen die Ideen der Machbarkeitsstudie, die die Sprinkenhof im Januar 2023 veröffentlichen will, mit den Überlegungen aus der Zeit der Absichtserklärung vor vier Jahren überein. Auch damals war die Rede von einer Hotel-/Hostel-Nutzung und einer neuen, erweiterten KoLaFu-Gedenkstätte sowie zusätzlichem Wohnungsbau die Rede.
Doch der Senat weist auf die weiteren Hürden bis zu einer möglichen Realisierung der Pläne hin. „Die Ergebnisse der Studie ersetzen… weder ein noch final zu entwickelndes städtebauliches Konzept zu dem Areal, noch zeichnen sie die von den verantwortlichen Fachlichkeiten auszuübenden Entscheidungen abschließend vor“, heißt es in bestem Beamtendeutsch. Soll wohl heißen: An den weiteren Planungen sind viele Behörden und Institutionen beteiligt.
Erst müssen Gefängnis-Neubauten entstehen
Auf weitere ungelöste Probleme deutet auch der folgende Satz hin: „Im Rahmen der weiteren Schritte zur Arealentwicklung wird eine Bestandsuntersuchung durchzuführen sein, um die ersten Bezifferungen der Sanierungsbedarfe aus der Machbarkeitsstudie und deren Finanzierung zu klären.“
Damit die historischen Gebäude saniert und der Wohnungsbau gestartet werden kann, muss zunächst eine Voraussetzung erfüllt sein: Die notwendigen Baumaßnahmen auf dem verbleibenden Anstaltsgelände müssen abgeschlossen sein. „Notwendig ist insbesondere die Errichtung zweier Neubauten und die Verlagerung der Außensicherung des Hochsicherheitsgefängnisses“, schreibt der Senat. Die Anstaltsmauern und die Sicherungsanlagen müssen zum Teil neu gebaut und nicht denkmalgeschützte Teile des Kreuzbaus abgerissen werden.
Unter der JVA liegt ein 2000 Jahre altes Gräberfeld
Für die Umbauten innerhalb der JVA ist ebenfalls die Sprinkenhof GmbH zuständig, die dafür laut Senat ein Angebot vorgelegt hat. „Gemäß des dem Angebot zugrundeliegenden Rahmenterminplans können die Baumaßnahmen frühestens im Jahr 2030 abgeschlossen sein“, heißt es in der Senatsantwort. Erst danach könne das nicht mehr von der JVA benötigte Gelände mit den historischen Hafthäusern „freigegeben“ werden.
„2030 als Zeitschiene ist schmerzlich lange hin. Dieser lange Zeitraum darf nicht dazu genutzt werden, das Thema und die beteiligten Interessierten ,ruhig zu stellen’“, sagt Sudmann. Dass der Senat die Machbarkeitsstudie so lange habe schleifen lassen , zeuge nicht davon, dass „ihm die Entwicklung dieses einzigartigen Ensembles wichtig“ sei. „Eine in Größe und Ausstattung angemessene Gedenkstätte zu KoLaFu ist das mindeste, was ich hier von einem geschichtsbewussten Senat erwarte“, so die Linken-Abgeordnete.
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Auf ein weiteres, nicht unerhebliches Planungsrisiko weist der Senat allerdings gar nicht hin. Schon beim Bau des Gefängnisses Ende des 19. Jahrhunderts waren Teile eines rund 2000 Jahre alten Gräberfeldes entdeckt worden, das sich vermutlich von der nahen Alster bis Alsterdorf erstreckte. Damals wurden Gewandnadeln, Tonkrüge und Knochenreste entdeckt. Es ist völlig offen, was der Boden von der prähistorischen Siedlung freigeben wird, wenn die Bagger einmal anrollen.