Hamburg. Das Gerät „Ionscan“ entdeckt auch synthetische Stoffe, die oft auf kreative Art und Weise ins Gefängnis geschmuggelt werden.
Das Spezialeinsatzgebiet des Ionscan 600 sind Flughafen-Sicherheitsschleusen. Der tragbare Spurendetektor, entwickelt von der britischen Firma Smith Detection, erkennt winzigste Rückstände von Explosivstoffen, etwa an den Schuhen. Im Ernstfall soll er Attentäter vor dem Betreten eines Flugzeugs entlarven – und so Leben retten.
Als Lebensretter der etwas anderen Art hat der Ionscan 600 aber noch eine zweite Karriere gestartet: Das Gerät wird nach einem erfolgreichen Pilotprojekt inzwischen flächendeckend in rheinland-pfälzischen Gefängnissen eingesetzt, um raffiniert geschmuggelte Designerdrogen aufzuspüren.
Pilotprojekt in JVA Fuhlsbüttel: Durch Hightech Drogenschmuggel aufdecken
Dem Vorbild der Mainzer Pioniere folgt jetzt auch Hamburg: In der JVA Fuhlsbüttel läuft seit April ein Pilotprojekt mit dem Ionscan 600. „In dem Pilotprojekt geht es um die Eignung des Geräts für die Verwendung in den Justizvollzugsanstalten“, sagt Dennis Sulzmann, Sprecher der Justizbehörde. „Wir versprechen uns davon eine sinnvolle Ergänzung unserer bisherigen Bemühungen.“
Die „bisherigen Bemühungen“ konzentrierten sich auf die Detektion „klassischer“ Drogen, die häufig durch Mauerüberwürfe, Besucherkontakte und sogar schon per Drohne ihren Weg hinter Gitter fanden. Rauschgiftspürhunde und die verschiedenen „Revisionsgruppen“ entdeckten bis Ende Oktober dieses Jahres in den sechs Vollzugsanstalten rund 1,5 Kilogramm Cannabinoide – im Jahr 2021 war es genauso viel. Außerdem wurden 220 Gramm Spice, 50 Gramm Kokain und kleinere Mengen Ecstasy, Subutex, Amphetamin und Tabletten sichergestellt.
„Der Konsum, der Handel mit und das Schmuggeln von Drogen in Hamburgs Justizvollzugsanstalten sind leider allgegenwärtiges Tagesgeschäft“, konstatiert der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Richard Seelmaecker in einer Kleinen Senatsanfrage zum Thema Drogenscanner.
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Noch viel schwerer zu entdecken als die gängigen Rauschgifte seien Designerdrogen, sogenannte Neue Psychoaktive Substanzen (NPS), die häufig flüssig sind oder auf Papier gedampft werden können. Genau hier liegt indes die Stärke des Ionscan. Schon im August 2020 hatte die CDU-Fraktion in einem Antrag den Start eines Pilotprojekts gefordert. Über dessen Umsetzung hätte der Senat der Bürgerschaft bis Ende Juni 2021 berichten sollen. „Bis heute erfolgte bedauerlicherweise kein entsprechender Bericht“, kritisiert Seelmaecker.
Der Scanner glänzt, wo andere Schnelltests versagen
Der Scanner glänzt, wo andere Schnelltests versagen: Er erkennt die neuartigen Substanzen – etwa synthetische Cannabinoide – in Sekundenschnelle. Diese NPS ahmen die Wirkung herkömmlicher Rauschmittel nach und werden mitunter auf kreativen Wegen ins Gefängnis geschmuggelt. So können einige beispielsweise auf Briefe geträufelt werden.
Der Adressat im Gefängnis kann die Droge dann selbst konsumieren oder das Papier stückeln und verkaufen. Auch Tabakwaren oder Bindfäden können mit den Substanzen getränkt werden. Das Problem: NPS sind in ihrer Wirkung unberechenbar und – wenn auch nur im Mikrogramm-Bereich – häufig zu hoch dosiert.
Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums kann die Einnahme „zu Übelkeit, heftigem Erbrechen, Herzrasen und Orientierungsverlust über Kreislaufversagen, Ohnmacht, Lähmungserscheinungen und Wahnvorstellungen bis hin zum Versagen der Vitalfunktionen“ führen. Es habe in Europa schon Todesfälle gegeben. Im Drogenscanner-Vorreiter-Land Rheinland-Pfalz ist man von der Technik begeistert. Der Ionscan habe sich „sehr gut bewährt“, sagt Philipp Sturhan, Sprecher des rheinland-pfälzischen Justizministers Herbert Mertin (FDP), dem Abendblatt.
So funktioniert der Ionscan
Verdächtig aussehendes Papier könne im Nu auf NPS oder klassische Betäubungsmittel untersucht werden. „Durch den Einsatz der Geräte werden nicht nur die inhaftierten Personen vor gesundheitlichen Schäden geschützt, sondern insbesondere auch die JVA-Bediensteten, da von drogenbeeinflussten Insassen oft erhebliche Gefahren ausgehen“, so Sturhan. Gekauft hat das Land die Scanner nicht. Nach Abendblatt-Informationen liegt die Miete für ein Gerät monatlich bei fast 1200 Euro.
In Hamburg läuft das Pilotprojekt dem Vernehmen nach ebenfalls erfolgreich, doch vor Abschluss der Erprobungsphase hält sich die Justizbehörde mit konkreten Aussagen und Ergebnissen zurück. Nur so viel: Mit dem Ionscan seien in Fuhlsbüttel bereits Sicherstellungen von Betäubungsmitteln erfolgt, sagt Behördensprecher Sulzmann. Eine Auswertung des Versuchs sei für Anfang 2023 geplant. Wie viele Geräte im Fall einer erfolgreichen Erprobung beschafft werden, stehe noch nicht fest.
Die Bedienung ist jedenfalls simpel: Ein Teststreifen wird beispielsweise über einen verdächtigen Brief gestrichen und dann zur Analyse in das Gerät gesteckt. Das Ergebnis liefert der Ionscan in Sekunden – Labore hätten dafür früher Monate benötigt, so Sturhan. Um die per Massenspektrometrie analysierten Substanzen zuordnen zu können, hat das LKA Rheinland-Pfalz eine Datenbank aufgebaut, die jederzeit durch neu auf den Markt drängende Substanzen ergänzt werden kann. Darauf zugreifen können inzwischen Hamburg und sieben weitere Bundesländer, darunter auch Schleswig-Holstein.