Hamburg. Der ARD-Film „Willkommen auf Deutsch“ dokumentiert sehr klug, wie im Landkreis Harburg Ortsansässige auf Flüchtlinge reagieren.

Das Thema Flüchtlinge begegnet einem momentan fast überall. 51 Millionen Menschen sollen weltweit auf der Flucht sein, 200.000 haben allein im vergangenen Jahr in Deutschland einen Asylantrag gestellt. Die EU diskutiert über Aufnahmequoten. Lampedusa wird für viele die Insel, die sie nach einer lebensgefährlichen Überquerung des Mittelmeeres erreichen wollen. In der vergangenen Woche erst hat Google Maps eine umstrittene Deutschland-Karte gelöscht, auf der mehrere Hundert Flüchtlingsheime verzeichnet waren. Und in Hamburg lief gestern die Abendblatt-Hilfsaktion für Flüchtlinge. Die Aufzählung ließe sich fortsetzen. Ein Dokumentarfilm zeigt jetzt, was in unserer unmittelbaren Nachbarschaft geschieht, wenn Asylbewerber und Einheimische aufeinandertreffen. „Willkommen auf Deutsch“ heißt der Film von Carsten Rau und Hauke Wendler, den die ARD heute zeigt.

Der Film erzählt von zwei Gemeinden. Appel und Tespe liegen beide im Landkreis Harburg. 240.000 Menschen leben im Kreis, die Arbeitslosigkeit liegt bei fünf Prozent. Appel hat 415 Einwohner, Tespe 4100. In dem größeren Ort leben zu Beginn des Films sieben Asylbewerber, im kleineren wehrt man sich dagegen, dass ein ehemaliges Alten- und Pflegeheim zur Unterkunft ausgebaut wird. 53 Asylbewerber sollen dort aufgenommen werden. Das sehen zumindest die Pläne der Kommunalverwaltung vor. Der Leiter des Sozialamts plädiert dafür, die Neuankömmlinge mit Willkommenskultur zu begrüßen.

Die ist aber bei den Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt. „Was und wer gibt dem Landkreis das Recht, eine so weitreichende Entscheidung über die Köpfe der Bürger Appels hinweg zu treffen?“, heißt es in einem Schreiben einer Bürgerinitiative an den Bürgermeister des Ortes. Die Menschen wollen in solche Belange eingebunden werden.

Das Spektrum der Bedenken ist groß. Einige weigern sich grundsätzlich, über Flüchtlinge nachzudenken, machen sich Sorgen um die soziale Verträglichkeit des Vorhabens. Manche würden die „Neuen“ wohl gern wieder loswerden oder gar nicht erst ankommen lassen. Einer sagt über Flüchtlinge: „Sie bringen ein gewisses Potenzial mit, egal welcher Nationalität.“ Ein anderer soll zum Mitarbeiter der Kreisverwaltung gesagt haben: „Nimm doch deine Neger wieder mit.“

Aber es geht auch anders. Ein Gas­tronom will seine Hotelzimmer bereitstellen, was zunächst an bürokratischen Hindernissen scheitert. Aber er gibt nicht auf. Eine Frau und ihre Freundin kümmern sich rührend um einige Asylbewerber. Sie helfen ihnen beim Erlernen der Sprache und bleiben über Nacht bei ihnen, als die Mutter und älteste Tochter einer siebenköpfigen Familie ins Krankenhaus müssen. Die Kirche organisiert ein Café für Flüchtlinge, die sich über die Möglichkeit zum Gedankenaustausch freuen.

Der Film erzählt aber auch von den Menschen, die sich auf die Reise mit dem ungewissen Ausgang begeben haben. Die Tochter einer Familie aus Tschetschenien ist einerseits froh: „Wir hätten nie gedacht, dass wir so eine schöne, große Wohnung bekommen.“ Andererseits hat sie auch große Sorgen. „Wir haben immer Angst, abgeschoben zu werden. Wann immer ein Auto vorbeifährt, oder ein Brief kommt, haben wir Herzklopfen.“ Es gibt viel zu lernen für die Neuankömmlinge. Wie fährt man Bus, wohin darf man überhaupt fahren, warum sollte man fremde Kindern nicht einfach so anfassen, auch wenn das in ihrer Heimat eine freundliche Selbstverständlichkeit ist?

Die Kreisverwaltung ist in keiner beneidenswerten Lage. Sie muss ihre Quote erfüllen und Unterkünfte für Flüchtlinge organisieren. Das erweist sich als schwierig, denn die Gemeinden wehren sich zum Teil dagegen, mit allen legalen Tricks wie Veränderungssperren und abgelehnten Bauanträgen.

Die Autoren Rau und Wendler verhalten sich geschickt. Sie kommentieren nichts, sondern lassen die Menschen sprechen. Die Schlüsse aus den Aussagen kann jeder selbst ziehen. Willkommenskultur, das macht dieser Film deutlich, lässt sich nicht anordnen, schon gar nicht per Verwaltungsdekret. Aber auch wenn es sie zunächst nicht gibt, lässt sie sich entwickeln. „Um einen Menschen willkommen zu heißen, müssen sich Freundschaften bilden“, sagt der Mann von der Sozialbehörde. So einfach ist das – und so schwer. Es geht um Mitmenschlichkeit.

„Willkommen auf Deutsch“ Di, 20.15 Uhr ARD