Hamburg. Tausende spenden für Flüchtlinge bei der Abendblatt-Aktion. Eine Turnhalle wird zum Extra-Lager, weitere Lkw werden bereitgestellt.
Noch immer stockt der Verkehr in der Hamburger City rund um den Großen Burstah. Busse kommen kaum durch die kleine Straße Richtung Rathausmarkt. Radfahrer nehmen den Gehweg, schlängeln sich an den Fußgängern und Autos vorbei. Ein Polizist regelt den Verkehr vor dem Verlagsgebäude von Hamburger Abendblatt, Hörzu, Bild der Frau und anderen Titeln. "Ja, parken Sie einfach weiter vorne!" Der Beamte drückt mehr als einmal ein Auge zu.
Denn seit 11 Uhr morgens kommen viele Hamburger mit ihren Autos vorgefahren. Sie rollen ihre Koffer und Taschen zum Eingang des Abendblatts, warten auch hier geduldig, um ihre Spenden für die bedürftigen Flüchtlinge abzugeben. Dabei ist die Aktion seit 19 Uhr offiziell beendet. Doch noch immer kommen Hilfsbereite und spenden, was sie zu Hause zusammengetragen haben. Leider ist eine Annahme weiterer Spenden beim Abendblatt am Dienstag nicht möglich. Bitte wenden Sie sich zum Beispiel an die Kleiderkammern in Ihrem Stadtteil.
Leitartikel: Stolz auf die Spendenstadt Hamburg
Es ist eine der größten Hilfsaktionen, die es an einem Ort in Hamburg in den vergangenen Jahren gegeben hat. Aber die Lage für die Flüchtlinge in der Stadt ist auch angespannt. Rund 6000 Spender kamen allein in den ersten Stunden, um Kleidung, Kinderwagen, Koffer, Fahrräder, Regenschirme, Malstifte, Blöcke und vieles mehr abzugeben. Besonders benötigt werden Hygieneartikel, Tampons, Duschgel, Windeln. Eine Frau brachte eine überdimensionale Tüte mit Nivea-Shampoo – alles neu gekauft. Danke!
"Diese Hilfsbereitschaft ist fantastisch", sagte Bischöfin Kirsten Fehrs, die das Abendblatt besucht hatte. Sie wollte mit eigenen Augen sehen, ob viele Spenden eingehen. Am Ende war sie überwältigt von dem, was die Hamburgerinnen und Hamburgern nach dem Hilfe-Aufruf zum Abendblatt trugen.
Tausende Hamburger helfen den Flüchtlingen
Aufgrund der riesigen Spendenmenge hat das Abendblatt inzwischen zwei zusätzliche Lkw angefordert. Das Gymnasium Lerchenfeld in Uhlenhorst stellt zudem eine Turnhalle, die in der Ferienzeit nicht genutzt wird, zur Verfügung. Ein zweites Lager wird in Alsterdorf eingerichtet, gesponsert von der Evangelischen Stiftung Alsterdorf. Später werden die Spenden dann an die Einrichtungen und Initiativen verteilt.
Unter den Spendern war auch Helmut Schulte, Ex-Manager des FC St. Pauli. Er machte kein großes Gewese, sondern legte seine Mitbringsel ab, überwältigt vom Hilfs-Ansturm der Hamburger. Schulte brachte – natürlich – Fußbälle, Handtücher und weitere Sportsachen.
Das sagen Hamburger Spender
Auch die 53 Jahre alte Susanne Korden aus Harvestehude hat Spenden vorbei gebracht. "Ich bin dafür, dass man in jedem Stadtteil, in dem Platz ist, Flüchtlinge unterbringt - auch in Harvestehude." Allerdings solle man auch aus ihrer Sicht das Geld nicht in kurzfristige Lösungen investieren, sondern in permanente Unterkünfte auf freien Flächen.
"Ich habe den Link auf Facebook gesehen und finde, dass das einfach eine tolle Aktion ist", sagte eine 26-jährige Langenhornerin bei der Abgabestelle. Und die 11-jährige Charlotte Tödten aus Wellingsbüttel erklärt: "Wir wollen den Flüchtlingen helfen. Sie sollen sich willkommen fühlen."
Tausende bei Abendblatt-Spendenaktion
Gespanntes Warten in Bahrenfelder Flüchtlingshilfe
Mit dem ersten voll beladenen Lkw ging es gegen 12 Uhr zur Flüchtlingshilfe der Luthergemeinde Bahrenfeld. Dutzende Menschen - Flüchtlinge und Mitarbeiter der Initiative - warteten schon gespannt auf die Ankunft der Spenden. Die Initiative von Gründerin Bettina Buhr unterhält auf dem Gelände an der Regerstraße eine Kleiderkammer und kümmert sich vor allem um Menschen, die in der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung an der Schnackenburgallee unterkommen.
Sofort ging es unter gespannten Blicken einiger Flüchtlinge ans Ausladen der Kleider, Spielsachen, Kinderwagen und anderen Gebrauchsgegenstände, die dringend benötigt werden. Da die Spenden zunächst auf Sauberkeit und Funktion geprüft werden müssen, konnten sie nicht direkt an die Wartenden verteilt werden.
Vor einem weiteren Lager der Initiative überwachte Diana Wernich die Herausgabe bereits geprüfter Waren. Seitdem die 31-Jährige als Ein-Euro-Jobberin bei der Initiative angefangen hat, hat sie ihre Meinung in Bezug auf Flüchtlinge geändert. War sie früher noch der Ansicht, dass Deutschland nicht so viele Migranten aufnehmen sollte, ist sie jetzt überzeugt: "Die Leute brauchen Hilfe! Jeder Mensch ist froh, wenn ihm geholfen wird", sagte sie.
Die Lagerräume waren schnell gefüllt, denn die Abendblatt-Aktion hatte offenbar schon am Wochenende Wirkung gezeigt: Mitarbeiter der Initiative erzählten, dass viele Hamburger schon am Sonnabend und Sonntag ihre Spenden direkt an der Regerstraße abgegeben hätten. Auch am heutigen Aktionstag kamen immer wieder vollbeladene Autos auf den Hof gefahren, da einige Spender keine Zeit hatten, sich in die langen Warteschlangen am Großen Burstah einzureihen.
"Wenn ihr zurückkommt, mache ich euch einen frischen Kaffee", rief Bettina Buhr den Helfern zu. Anschließend fuhr der leere Lkw wieder in Richtung Großer Burstah, um die nächste Ladung Spenden abzuholen.
Spenden-Aktion läuft noch bis 19 Uhr
Noch bis 19 Uhr sammelt das Hamburger Abendblatt das, was die Zufluchtsuchenden in dieser Stadt dringend benötigen: Kleidung, Bettwäsche, Turnschuhe, Regenjacken und Regenschirme, Koffer, Kinderwagen, Fahrräder, Säuglingsnahrung, Fußbälle, Hygieneartikel und vieles mehr.
Bürger, die solche Artikel spenden wollen, können diese in der Passage des neuen Redaktionsgebäudes am Großen Burstah 18–32 (zwischen Rathaus und Rödingsmarkt) abgeben. Wir bringen die Hilfsgüter noch am selben Tag zu den Flüchtlingsinitiativen, die sich um die Bewohner der großen Zentralen Erstaufnahmen kümmern.
Was benötigt wird:
Til Schweiger ist außer sich
Auch Schauspieler Til Schweiger schloss sich am Wochenende dem Aufruf an, appellierte auf seiner Facebook-Seite an die Hamburger: „Alle mitmachen!“
Der Post sorgte für einigen Wirbel, denn fremdenfeindliche Äußerungen blieben leider nicht aus. Schweiger zeigte sich darüber äußerst entsetzt. „Oh Mann - ich habs befürchtet!! Ihr seid zum Kotzen! Wirklich! Verpisst Euch von meiner Seite, empathieloses Pack! Mir wird schlecht!!“, schrieb der 51 Jahre alte Kinostar bereits am Sonnabend auf seiner Seite.
Am Sonntag legte er noch einmal nach: "Es ist ein schönes Gefühl Menschen zu helfen, die in Not sind. Das sage ich auch Euch da draussen, die ihr da schreibt 'spende doch selber', um dann an jedem Obdachlosen vorbeizulaufen. Probiert es mal aus, es macht auch Euer Leben lebenswerter!", schrieb Schweiger unter den Hinweis eines Users, bei welchen Spendenaktionen der Schauspieler bereits tätig war.
Auch in der "Bild"-Zeitung, die wie etliche andere Medien die Debatte um die Abendblatt-Aktion aufgegriffen hatte, zeigte Schweiger Haltung. „Wenn man nichts spenden will, ist das ja auch okay. Aber dann sollte man es einfach dabei belassen“, sagte Schweiger dem Blatt.
Wenn er die hasserfüllten Kommentare lese, platze ihm der Kragen: „Das ist so furchtbar! Für diese Menschen in Deutschland schäme ich mich.“ Immer, wenn er etwas mit Empathie in sozialen Netzwerken schreibe, wisse er fast schon vorher, dass es einen Shitstorm geben werde: „Was ist nur los mit den Leuten? Eigentlich können diese Menschen einem wirklich leidtun.“