Hamburg. Der Umsatz ging zurück, Mitarbeiter werden entlassen. Doch G+J-Chefin Julia Jäkel sieht zum Firmenjubiläum die Wende zum Positiven.
Erdbeerkuchen und Champagner gibt es, wie vor fünfzig Jahren. Damals, am 30. Juni 1965, feierten der Hamburger Verleger John Jahr, sein Branchenkollege Gerd Bucerius („Die Zeit“) und der Druckereibesitzer Richard Gruner mit dem kulinarischen Gaumenkitzel die Gründung von Gruner + Jahr (G+J). Der Verlag mit heute 1,7 Milliarden Euro Umsatz gibt Zeitschriften wie „Brigitte“, „Stern“, „Geo“ und „Neon“ heraus. Am 1. Juli wollen die Mitarbeiter auf die Stammväter anstoßen, die G+J als Gegengewicht zum Axel-Springer-Verlag schufen. Den Kurs des Medienhauses gibt seit zwei Jahren Julia Jäkel vor, die Vorsitzende der Geschäftsführung.
„Als ich das Amt übernommen habe, hatte ich den Eindruck, dass die Liebe zu unserem Handwerk etwas routiniert geworden war“, resümiert Jäkel. „Heute bin ich sehr stolz, wie kreativ wir arbeiten.“ Die zuvor als G+J-Deutschland-Chefin agierende Managerin leitete einen Veränderungsprozess ein, durch den das Haus „besser, schneller, effizienter und digitaler“ werden soll. In dieser Funktion musste sie einen harten Einschnitt vollziehen: 2012 schloss sie nach zwölf Jahren die preisgekrönte, aber defizitäre „Financial Times Deutschland“. Der Konzern aus Hamburg trennte sich von fast allen Wirtschaftsmedien.
400 Arbeitsplätze fallen weg, auch bei "Stern" und Brigitte"
Mit dem Stellenabbau über drei Jahre – allein in Deutschland fallen bis Ende 2017 insgesamt 400 Arbeitsplätze weg – habe die Geschäftsführung den Mitarbeitern viel zugemutet, sagt Jäkel. Betroffen waren unter anderem der „Stern“ und die „Brigitte“. Jäkel: „Aber es war nötig, wir mussten uns ein anderes Kostenniveau erarbeiten.“ Von 75 Millionen Euro Einsparung werde der größere Teil schon im nächsten Jahr erreicht sein. Geplant war der Rückgang bis 2017. „Wir sind vorangekommen. Das macht uns auch selbstbewusster.“
Kritiker hatten dem Verlag vorgehalten, im Gegensatz zu anderen Medienhäusern mit dem Digitalgeschäft nicht voranzukommen. Von knapp 10 Prozent des Umsatzes sei der Anteil auf 17 Prozent gestiegen, berichtet Jäkel. „Die Kennziffer zeigt, wie dynamisch sich unsere Transformation entwickelt.“ Das digitale Publishing wachse, G+J sei größter Verlagspartner von Apple in Deutschland. Digitale Zukäufe wie Danato sollen dazu beitragen, Handelsgeschäft in Verlagsbereichen wie Living (Wohnen, Einrichten) aufzubauen, digitale Vermarkter wie Ligatus sollen das Werbegeschäft ankurbeln. Rund 250 Start-ups seien 2015 begutachtet worden – auf der Suche nach profitablen Ideen.
Für Hunderte Millionen soll investiert werden
„Der Kern von Gruner + Jahr ist seit 50 Jahren Journalismus und wird auch in Zukunft Journalismus sein“, stellt Jäkel fest. Seit 2013 greift sie bis zunächst 2018 auf ein Investitionsbudget von mehreren Hundert Millionen Euro zu, das auch ins Kerngeschäft mit einfließt, „weil wir daran glauben, mit gutem Journalismus erfolgreich sein zu können.“
Eine Frage sei, ob die Investitionsmittel für Innovationen ausreichen, sagt Medienwissenschaftler Horst Röper. „Und wie sehr kann Gruner + Jahr eigenständig agieren?“ Seit Ende 2014 gehört der Verlag vollständig zum Medienkonzern Bertelsmann aus Gütersloh. „Es ist sehr hilfreich, klare Eigentümerverhältnisse zu haben. Das macht Abläufe und Entscheidungsprozesse einfacher“, sagt Jäkel dazu.
Für den Medienexperten sowie den Geschäftsführer des deutschen Journalistenverbandes in Hamburg, Stefan Endter, zählt G+J unter publizistischen Aspekten nach wie vor zu den wichtigsten Medienhäusern in Deutschland. Angesichts des wirtschaftlichen Umfelds der Medienbranche – gekennzeichnet von rückläufigen Vertriebserlösen und hartem Werbegeschäft – sei G+J mit seinen Marken gut aufgestellt, ergänzt Röper.
Der ausgefallene Henri-Nannen-Preis erhält ein neues Gewand
„Man braucht Ideen – und ausreichend Journalisten“, mahnt Endter. Etliche Magazine hat Gruner + Jahr seit dem vergangenen Jahr neu eingeführt: „Flow“, „Walden“, „Salon“ und „Stern Crime“ gehören dazu. „Wir sind heute mutiger und bringen Hefte schneller auf den Markt“, sagt Jäkel.
Auch das Auslandsgeschäft mit mehr als 50 Prozent Umsatzanteil kam bei G+J auf den Prüfstand. Verkauft wurden das Druckerei-Geschäft (Brown Printing) in den USA und das Geschäft rund um die Adria inklusive Italien. 49 Prozent tragen die Auslandsmärkte derzeit zu den Erlösen bei. „Wir verkaufen renditeschwaches Geschäft und solches, das für uns keine Zukunft hat“, bilanziert die 43-Jährige. Auch deswegen ging der Gesamtumsatz 2014 um 13 Prozent zurück.
Die Umsatzrendite sei mit 9,5 Prozent zwar immer noch stark, aber es gehe derzeit nicht nur um den kurzfristigen Blick auf die Zahlen, sagt Jäkel. „Wichtig ist, dass wir langfristig dieses Haus modernisieren.“ Ein neues Outfit bekommt auch der vom Verlag und seinem Magazin „Stern“ ausgelobte Henri-Nannen-Preis. Er war wegen des Sparprogramms in diesem Jahr ausgefallen. Im nächsten Jahr soll es aber wieder einen Journalistenpreis geben. (dpa)