Die Ressortleiter rebellieren gegen die Spitze. „Spiegel“-Chefredakteur Wolfgang Büchner darf Print- und Online-Mitarbeiter nicht gegeneinander aufbringen. Eine heikle Gemengelage.

Hamburg. Die redaktionsinterne Krise beim Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ spitzt sich weiter zu. Nachdem vor drei Wochen bekannt geworden war, dass die Ressortleiter des Print-„Spiegels“ die Abwesenheit von Chefredakteur Wolfgang Büchner genutzt hatten, um sich bei Geschäftsführer Ove Saffe massiv über ihren Vorgesetzten zu beschweren, folgte nun offenbar die Retourkutsche.

Wie die „Berliner Zeitung“ berichtet, sollen Saffe und Büchner am Dienstag die Vertreter der Mitarbeiter KG, der der Verlag zu 50,5 Prozent gehört, zu einer kurzfristig anberaumten Sitzung bestellt haben. In ihr wurde den fünf KG-Geschäftsführern mitgeteilt, dass innerhalb der nächsten zwei Jahre sämtliche Ressortleiterstellen neu ausgeschrieben werden sollen. Begründet wird diese Maßnahme laut „Berliner Zeitung“ damit, dass die Ressortleiter zukünftig sowohl für den Print- als auch für den Online-Bereich zuständig sein sollen.

Eine im Rahmen der angekündigten stärkeren Verschränkung von „Spiegel“ und „Spiegel Online“, die klar zu Büchners Agenda gehört, konsequente Maßnahme. Diese aber kommt zu einem Zeitpunkt und ist dermaßen umfassend, dass sie von vielen gleichzeitig als nächste Stufe des Machtkampfes zwischen Chefredakteur und Ressortchefs aufgefasst wird.

Die Mitarbeiter KG, deren Geschäftsführer noch am Mittwoch ihre Beratungen darüber begonnen haben, wie sie auf die Forderung reagieren, steht vor einem Dilemma: Folgt sie den Wünschen von Chefredakteur und Geschäftsführer, zieht sie sich den Zorn des Teils der Redaktion zu, der Büchner bereits aufgrund seiner bisherigen Führungsentscheidungen wie der Berufung von „Bild“-Journalist Nikolaus Blome zum „Spiegel“ kritisch gegenübersteht. Verweigert sie sich ihnen, könnte sie damit nicht nur die Abberufung von Büchner nach nur gut einem Jahr im Amt auslösen.

Sie würde auch den Graben zwischen „Spiegel Online“ und gedrucktem „Spiegel“ weiter aufreißen: Die Onliner, die auf stetig wachsende Zugriffs- und Umsatzzahlen verweisen können, und die Printjournalisten, deren Produkt seit Jahren mit sinkenden Auflagenzahlen zu kämpfen hat, sind bislang streng voneinander getrennt, redaktionell wie arbeits- und gesellschaftsrechtlich.

Verändert sich diese Struktur, hat das nicht nur Auswirkungen auf die redaktionelle Arbeit, sondern auch auf die Befindlichkeiten, die aus dem Eigentümerkonzept beim „Spiegel“ erwachsen. Redakteure, Verlagsangestellte und Dokumentare des gedruckten „Spiegels“ haben im Gegensatz zu ihren Online-Kollegen nach drei Jahren Betriebszugehörigkeit die Möglichkeit, Teil der Mitarbeiter KG zu werden. Damit verbunden ist nicht nur ein Mitspracherecht bei Verlagsentscheidungen, sondern auch eine jährliche Gewinnbeteiligung.

Die mögliche Aufweichung der Grenzen zwischen den Redaktionen könnte auch als Angriff auf das Selbstverständnis der Mitarbeiter KG aufgefasst werden. Selbst wenn der Verlag nicht mit dem bislang als ehern geltenden Grundsatz bricht, Print und Online getrennt zu halten, bleibt die Frage, wie genau die doppelte Verantwortlichkeit dann rechtlich umgesetzt werden kann.

Zudem würde die KG, sollte eine Ablehnung der Ressortleiterumbesetzung tatsächlich zur Abberufung von Büchner führen, einen möglichen Streit mit Gruner + Jahr (G+J) riskieren: Denn für die Ab- und Neuberufung des Chefredakteurs reichen die 50,5 Prozent Anteile der Mitarbeiter am Verlag nicht aus. Erst mit den 25,5 Prozent, die das Verlagshaus vom Baumwall hält, würde die erforderliche Mehrheit erreicht.

Wer aber sollte Büchner ersetzen? Im Zweifelsfall jemand, der die Umbaumaßnahmen noch stärker vorantreibt. Bertelsmann, der Mutterkonzern von G+J, sei angeblich nur leidlich zufrieden mit den sinkenden Umsatzzahlen beim „Spiegel“.

Ein Statement der Beteiligten lag zum Redaktionsschluss nicht vor, dem Vernehmen nach gab es aber am Mittwochabend noch eine Gesprächsrunde im Verlagshaus an der Ericusspitze, in der der Chefredakteur seinen Vorstoß auch den betroffenen Ressortleitern gegenüber weiter erläutern wollte. Umwälzungen stehen dem „Spiegel“ auf jeden Fall bevor.