Warum „Spiegel“, „Stern“ und „Focus“ in ihren aktuellen Ausgaben mit Gesundheit, Beziehung oder Haustieren um Leser werben. Es scheint, als ob die Magazine das Sommerloch bereits ausgerufen hätten.

Hamburg. Die Ähnlichkeit fällt ins Auge. Wer in dieser Woche am Kiosk ein Nachrichtenmagazin kaufen möchte, hat nicht etwa die Wahl zwischen der Ukraine, dem Irak und Flüchtlingspolitik. Auch die Fußball-Weltmeisterschaft glänzt auf den Titelblättern von „Spiegel“, „Focus“ und „Stern“ durch Abwesenheit. Stattdessen steht man vor der Frage, ob man sich mit den positiven Auswirkungen sportlicher Bewegung auf die Gelenke, mit Deutschlands beliebtesten Singles in Online-Datingbörsen oder dem Hund als bestem Freund des Menschen auseinandersetzen möchte. Es scheint, als ob die Magazine das Sommerloch bereits ausgerufen hätten.

„Das glaube ich nicht“, sagt Hermann-Dieter Schröder vom Hans-Bredow-Institut für Medienforschung an der Universität Hamburg. „Um das Sommerloch geht es bei der Frage der Titelgestaltung eigentlich nicht.“ Vielmehr würden die Redaktionen versuchen, möglichst viel Aufmerksamkeit bei potenziellen Lesern zu erwecken, die keine Abonnenten sind. „Mit der Fußball-Weltmeisterschaft könnte man das leicht erreichen, das sieht man ja an allen Tageszeitungen. Die Wochenmagazine haben diese Option jedoch nicht, weil das Thema zu schnelllebig ist.“ Würden „Spiegel“, „Stern“ oder „Focus“ mit einem Aufmacher zur deutschen Nationalmannschaft ausliegen, gingen sie das Risiko ein, dass sie von den Ereignissen überholt würden.

„Also braucht man Themen, die nicht ganz so kurzlebig sind, aber trotzdem viel Interesse generieren“, führt Schröder weiter aus. Aus der Weltpolitik böten sich da zum Beispiel die Ukraine, der Irak oder Nigeria an. In diesem Zusammenhang besteht allerdings das Risiko, dass beim Leser das Gefühl entsteht, bereits durch die tägliche Berichterstattung im Bilde zu sein. Tageszeitungen, Fernseh- und Radionachrichten und besonders das Internet haben hier ebenfalls den Vorteil, schneller auf Neuentwicklungen eingehen zu können. Gleichzeitig entsteht durch die Omnipräsenz von Nachrichten beim Leser schnell der Eindruck, bereits umfassend informiert zu sein. So lange man also nicht mit einer großen Exklusivgeschichte zu einem dieser Komplexe aufwarten kann, fallen jene ebenfalls aus. Die nahe liegenden historischen Themen – Erster und Zweiter Weltkrieg begannen vor 100 respektive 75 Jahren, dazu der 70. Jahrestag des Attentats auf Adolf Hitler im Juli – erwartet Schröder zwingend in den kommenden Wochen und Monaten. Doch im Augenblick, so nimmt es der Forscher in seinem persönlichen Umfeld wahr und die durchgängig hohen Einschaltquoten scheinen ihm recht zu geben, wird alles, was nicht radikal einschneidend ist, von der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien überlagert. Mit einem Rückgriff auf die Historie, so prägend sie auch für unsere heutige Gesellschaft ist, kommt man bis nach dem Finale am 13. Juli nicht gegen Müller, Neymar und Robben, Brasilien, Fifa und die Frage nach dem Klimaschock an.

Also, so vermutet Schröder, gehen die Verlage auf Nummer sicher und setzen auf „Themen, die sich immer verkaufen“. Zudem sei man flexibler geworden, was die Aufmacheroptik angeht: „Traditionell hieß eine Titelgeschichte ja, dass das Thema im Heft entsprechend breit ausgewalzt wird. Das stimmt so nicht mehr. Man muss nicht glauben, wenn man ein Titelthema sieht, dass man quasi ein Themenheft in Händen hält.“

Dafür, dass die Magazine insgesamt versuchen, eher mit Themenvielfalt als mit besonderer Ausführlichkeit zu punkten, spricht auch, dass sogar der „Spiegel“ die Aufmachung seiner Titelseite angepasst hat. Bis vor zwei Monaten war die erste Seite des „Spiegel“ fast immer monothematisch. Maximal ein Winkel wies in besonders nachrichtenintensiven Ausgaben auf ein weiteres Thema hin. Im Zuge der ersten großen Layout-Überarbeitung seit 18 Jahren werden nun seit Anfang Mai zusätzlich zum optischen Aufmacher drei weitere Themen auf dem Titel vorgestellt. Eine Taktik, die bei der Konkurrenz von Burda und Gruner+Jahr schon lange gang und gäbe ist.

Mit Selbstgängern wie Gesundheit, Beziehung und Haustieren setzen die Redaktionen statt auf harte Nachrichten oder einem Thema, bei dem sie Gefahr laufen, nicht an aktuelle Ereignisse anknüpfen zu können, lieber auf Geschichten, die „Lebenshilfethemen behandeln oder Orientierungswissen bieten“. Und damit, so glaubt Schröder, auf die Leser im Einzelverkauf: „Für die Abonnenten ist es ziemlich egal. Die gucken auch rein, wenn auf dem Titel etwas ist, was sie gar nicht so spannend finden.“