Nach einem Massenprotest der Gehörlosen wird der öffentlich-rechtliche Kanal die Gebärdendolmetscher beibehalten. Ein Hamburger Professor warnt die Phoenix-Macher vor Einschnitten.
Hamburg/Bonn. Ihr Internet-Auftritt heißt leicht selbstironisch Taubenschlag („Da heben die Tauben ab“) und ist im Netz die wichtigste Plattform für Gehörlose und Schwerhörige in Deutschland. Und niemand sollte denken, wer nicht ganz so gut hören kann, könnte keinen Massenprotest organisieren: Nach einem wahren Shitstorm von E-Mails und Beschwerden ist der Fernsehsender Phoenix eingeknickt und wird seine Gebärdendolmetscher für Nachrichtensendungen beibehalten. Vorerst.
Aber dass das so bleibt, erhofft sich, nein: fordert der Hamburger Professor für Gebärdensprache, Christian Rathmann. „Die öffentlich-rechtlichen Sender müssen ihre barrierefreien Angebote noch ausbauen“, sagte Rathmann im Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt. ARD, ZDF, Phoenix und die digitalen Kanäle hätten die Verpflichtung, diese Angebote zu machen. Der Professor, die Verbände und einzelne Betroffene hatten gegen die geplante Abschaffung der Gebärdendolmetscher protestiert. Mit Untertiteln wollen sie sich nicht zufriedengeben. In den USA, in Italien und anderswo ist es auch üblich, dass beispielsweise Reden von Präsident Barack Obama simultan in Gebärdensprache übersetzt werden.
„Zu der geplanten Umstellung und dem Ausbau von barrierefreien Angeboten hat Phoenix in den vergangenen Tagen Zustimmung, aber auch Kritik von Verbänden und Interessensvertretungen erhalten“, sagte eine Phoenix-Sprecherin. „Der Sender nimmt diese Kritik ernst und wird deshalb das Gespräch mit den Verbänden suchen. In der Zwischenzeit wird Phoenix die Gebärdensprach-Dolmetschung zunächst fortführen.“
Schwere Vorwürfe kommen vom Hamburger Gehörlosenverband. Dessen Geschäftsführer Thomas Worseck sagte, die 100.000 Menschen, die auf Gebärdensprache angewiesen seien, gälten als „funktionale Analphabeten“. Worseck sagte, Sendungen in Gebärdensprache seien für diese Menschen die einzige Möglichkeit, Nachrichten zu verstehen. „Seit dem 1. Januar 2013 müssen auch wir Gehörlose Rundfunkbeiträge zahlen. Als Dank streicht Phoenix die Gebärdenspracheinblendung.“ Die „Tagesschau“ und „Heute“ würden schon seit den achtziger bzw. neunziger Jahren ihre Nachrichten untertitel. „Phoenix untertitelt jetzt, was die Nachrichtensendungen schon seit Jahrzehnten selbst machen. Es geht Phoenix einzig und allein darum, die Gebärdensprache aus den Sendungen zu entfernen.“
Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Hubert Hüppe (CDU), kritisierte, dass Phoenix sich nicht klar dazu bekenne, das Angebot dauerhaft fortzuführen. Die Gehörlosen haben aber auch ARD-intern eine starke Lobby. Der Norddeutsche Rundfunk geht aus Sicht der Betroffenen mit guten Beispielen voran.