Das Dschungelcamp holt Traumquoten. „Warum nur?“, fragt mancher. Die Antwort ist gar nicht so schwer. Es geht ums Scheitern als Show.
Hamburg/Sydney. weitklassige Prominente, die auf Kakerlaken herumlutschen. Die Madenkuchen und Känguruhoden essen. Die im Hamsterbikini durch wütende Ameisenvölker waten. Alle Jahre wieder kämpfen sogenannte Promis im australischen Dschungel um ihren Star-Status, Sterne fürs Essen und den absurden Titel „Dschungelkönig“. Und die TV-Nation ist gespalten: die einen lieben es und müssen täglich „Dschungelcamp“ schauen, während die anderen sich angewidert vom „Ekel-Fernsehen“ abwenden. Wie kann man nur? Was soll das? Und überhaupt.
Dieser Tage läuft die siebte Staffel von „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ – mit sensationell guten Einschaltquoten. Regelmäßig schalten etwa sieben Millionen Menschen ein, auch am Dienstagabend dominierte die Show die TV-Charts mit 7,14 Millionen Zuschauern. Die erste Staffel ohne den langjährigen Co-Moderator Dirk Bach, der im Oktober überraschend mit 51 Jahren starb, könnte in Sachen Zuschauerzuspruch eine Rekordstaffel werden.
„Dirk Bach ist unersetzbar“, meint die Hamburger Medienwissenschaftlerin Joan Kristin Bleicher. Doch der neue Moderator Daniel Hartwich tue gut daran, einen eigenen Stil zu entwickeln. Das Zusammenspiel mit Sonja Zietlow sei „noch optimierungsfähig“, findet Bleicher.
Den überwältigenden Erfolg für RTL mit dem Camp erklärt die Medienforscherin zum Beispiel im Vergleich zu den siech gewordenen Casting-Shows: „Während in den Casting-Shows gleichbleibende Inszenierungsmuster der Kandidaten die Zuschauer langweilen, kann der Zuschauer im Dschungelcamp tagelang beobachten, wie Inszenierungsstrategien angesichts der Herausforderungen scheitern.“
Viele Zuschauer erfreuen sich an den fiesen Kommentaren der Moderatoren. In ihren Augen ist das angebliche Ekel-TV eher Intellektuellen-Fernsehen. Marktforscher von Media Control sagen übrigens, dass vor allem Frauen „schuld am Erfolg“ des Formats seien. Expertin Bleicher: „Frauen sind ja generell an zwischenmenschlichen Beziehungen interessiert.“ Und davon gebe es im Camp einige zu sehen.
Mit der Besetzung bedient RTL auch in diesem Jahr wieder beliebte Rollen und Klischees. Dragqueen Olivia Jones behält als „Mutter“ des Camps die Fäden in der Hand – und analysiert pointiert ihre Mitbewohner. Im vergangenen Jahr erfüllte Brigitte Nielsen diese Funktion – sie wurde am Ende auch zur Dschungelkönigin gekrönt. Jones fungiert aber auch als Exot – wie zuvor etwa Lorielle London (2009).
Model Fiona Erdmann und „Bachelor“-Kandidatin Georgina liefern sich derzeit noch einen Kampf um den Status als Dschungelzicke vom Dienst – ob miteinander oder im Frust über Zigarettenmangel und Übelkeit. Doch nur schwer kommen sie wohl an frühere Teilnehmerinnen wie Model Sarah Knappik (2011) oder DJane Giulia Siegel (2009) heran.
Mit Sixpack und knackigem Hintern – aber wohl nicht viel mehr - könnten dieses Mal die Sänger Silva Gonzalez und Patrick Nuo die Gelüste mancher Zuschauer(-innen) bedienen. Nuo bediente den Voyeurismus auch bereits zusätzlich mit einer Pornosucht-Beichte. Beide Sänger stehen in der Tradition trainierter Typen – man denke etwa an Schwimmer Thomas Rupprath oder Sänger Jay Khan (beide 2011).
Für den „Playboy“ zog sich dieses Mal „Unter uns“-Star Claudelle Deckert aus. Zu fast jeder Staffel zeigte sich eine der Camperinnen für das Magazin wie Gott sie schuf. So war 2004 Schauspielerin Mariella Ahrens auf dem Cover zu sehen, 2008 Schauspielerin Julia Biedermann, 2009 Giulia Siegel und 2011 Sängerin Indira Weis.
Unklar blieb zunächst, wer eine Dschungel-Liaison beginnt, wie beim letzten Mal Schauspieler Rocco Stark und Sängerin Kim Gloss, die ein Kind erwarten. Oder vor zwei Jahren Indira Weis und Jay Khan, deren Liebe schon im Camp unter Heuchel-Verdacht stand und nur wenige Monate hielt. Vielleicht geht da bei Gonzalez noch was?
Camp-Küken, dem die anderen unter die Arme greifen müssen, ist jetzt der oftmals dümmlich wirkende „DSDS“-Teilnehmer Joey Heindle („Ich will nicht tot aufwachen“). Er tritt damit in die Fußstapfen von Daniel Küblböck (2004) oder Lisa Bund (2008), die ebenfalls durch die Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“ bekanntwurden.
Gut zur Hälfte ist das Pritschenlager mit eher unauffälligen Ex-Promis gefüllt, die kaum polarisieren und am Ende wohl wieder in Vergessenheit geraten. 2013 dürften das der frühere Kaufhaus-Erpresser Arno Funke („Dagobert“) sein oder auch Allegra Curtis, die sich vor allem über ihre berühmten Eltern Tony Curtis und Christine Kaufmann definiert. Sie bleiben blass wie früher bereits andere. Oder wer erinnert sich noch an Leichtathlet Carlo Thränhardt (2004), Sänger Fabrice Morvan (2004) oder Moderator Björn-Hergen Schimpf (2008) im Dschungel?