Während im Hamburger “Tatort“ stets eher düstere Bilder gezeichnet wurden, verzichtet die Stuttgarter Variante verdeckter Ermittlungen auf Zwiespalt.
Hamburg. Was in Hamburg demnächst vorbei ist, machen sich die Stuttgarter "Tatort"-Kommissare in diesem Film zu eigen: den Undercover-Ermittler. Ziemlich unvorbereitet, mit der Gelassenheit eines unbedarften Teenagers, stolpert Sebastian Bootz in diesen Job hinein, muss den geplanten Südtirolurlaub (zum Preis einer übellaunigen Ehefrau) absagen und stattdessen den Chauffeur und Personenschützer eines reichen Familienunternehmers geben, der nur um ein Haar einem Mordanschlag entkommen ist. Die Kugel trifft seinen Bodyguard. Und hinter den sprichwörtlichen Gardinen der traditionsreichen schwäbischen Porzellanfabrik Imberger brodelt es kräftig weiter.
"Scherbenhaufen", der zehnte gemeinsame Fall von Bootz (Felix Klare) und Thorsten Lannert (Richy Müller), verzichtet auf die Melancholie, die den Hamburg-"Tatort" auszeichnet. Der Zwiespalt, dass das wirkliche Leben anderswo stattfindet, ist ohnehin nicht der von Bootz. Der telefoniert vom Hotelzimmer aus mit seiner "Süßen", und man meint ihm anzusehen: Findet er ganz gut, mal nicht zu Hause zwischen Wäschehaufen und Kinderspielzeugchaos herumzusitzen, die Dienstbesprechung in der Besenkammer statt am Schreibtisch abzuhalten.
Otto Mellies ist großartig als Patriarch Imberger, der jeden Anflug von Schwäche mit einem energischen Räuspern wegwischt, dessen Verfassung zwischen gebeutelt und großspurig schwankt. Scheitern war für diesen Mann niemals eine Option. Gut gelingt Regisseur Johannes Grieser und dem Autorenduo Eva und Volker A. Zahn die Zeichnung des großbürgerlichen schwäbischen Milieus samt Kunst an den Bürowänden und verschämtem Sektkorkenknallen zum gelungenen Firmendeal.
Schwer zu sagen, wer von den beiden Imberger-Söhnen der unsympathischere ist: Der eine trägt Seidenschal und Siegelring, der andere kariertes Einstecktuch zum Mittagessen im Familienkreis, beide zeichnen sich durch eine Schnöseligkeit aus, der Menschen eigen ist, die die Verdienste anderer als die ihrigen ausgeben. Irgendwas mit Marketing haben sie in den USA studiert, den Abschluss mehr erkauft als erarbeitet, im Familienbetrieb machen sie einen auf dicke Hose. Felix Eitner und Ole Puppe geben dieses Brüderpaar als schauderhafte Unsympathen.
Ein Krimi im klassischen Sinn ist dieser "Tatort", der ohne große Gesten, ohne Sozialappell und Moralanspruch seine Handlung vorantreibt. Nun ist bei einem verdeckten Ermittler ja immer spannend, was geschieht, wenn der Mann auffliegt. In diesem Fall, so viel sei verraten, kommt Lannert in einem roten Flitzerporsche angebraust und eilt dem Kollegen zur Hilfe. Diese Männerfreundschaft, spürt der Zuschauer, ist für immer. Oder wie Bootz es sagt: "Bis dass der Tod uns scheidet."