Hamburg. Hamburger Band neckt ihre Gaststars Jan Böhmermann, Olli Schulz und Lars Eidinger. Am Freitag erscheint das neue Album.
Was sich liebt, das rappt sich: Die Hamburger Band Deichkind hat auf ihrem neuen Album "Wer Sagt Denn Das?" TV-Moderator Jan Böhmermann und Musiker Olli Schulz als Rapper zu Gast – schmiert ihren "Features" aber nicht gerade Honig um den Mund.
"Das sind beides nicht die besten Rapper", sagte Deichkind-Mitglied Sebastian Dürre alias Porky nun über die Leistung der beiden im Song "Quasi".
"Das haben wir auch wirklich unserem Produzenten zu verdanken, dass er wirklich enorme Vocal-Schneidekünste hat“, erklärte der Rapper – allerdings mit einem Augenzwinkern. "Das sind Freunde von uns", stellte er klar. Schulz kenne er schon lange, man komme aus der gleichen Gegend. In Böhmermanns Sendung seien Deichkind wiederum schon Gäste gewesen.
Bewunderung für Böhmermann-Podcast
"Ich bewundere sie, wie sie in ihren Podcasts um die Ecke denken und enorme Alltagsdinge einfach so ausschmücken – auch mit ihren Streits. Das ist einfach unglaublich amüsierend. Es macht Spaß, ihnen zu folgen“, sagte Dürre über Schulz und Böhmermann.
Dem Moderator ist Rap-Musik auch alles andere als fremd. Erst kürzlich veröffentlichte er unter dem Namen POL1Z1STENS0HN einen neuen Song mit dem Titel "herz und faust und zwinkerzwinker".
Deichkind begeisterten mit Spontan-Gig
Am vergangenen Freitag hatten Deichkind ihre Fans mit einem spontanen Konzert im Rahmen des Reeperbahn-Festivals überrascht. Rund 1500 Zuhörer kamen am Millerntorstadion in den Genuss der Hits "Keine Party" oder "Remmidemmi". Größer wird es in Hamburg am 7. März 2020 – dann spielen die Hip-Hopper in der Barclaycard Arena auf. Die 12.000 Karten sind allerdings längst vergriffen.
Das neue Deichkind-Album "Wer Sagt Denn Das?" ist am 27. September erschienen – Abendblatt-Autor Tino Lange hat es sich angehört und bewertet. Bei den Fans kommen die 18 Tracks erwartbar gut an. Dennoch schlagen Hörer vereinzelt auch kritische Töne an. "Was ist aus Deichkind geworden?", fragt eine auf der Facebookseite der Band. "Irgendwie ist jeder Song nur Wodka-Abriss. Ihr seid die neuen Atzen. (Partyband aus Berlin/Anm. d. Red.)"
Gesellschaftskritik als wichtiges Element
Mit ihren Kostümen – etwa gleichaussehende weiße Masken und weiße Anzüge – wollen Deichkind nach eigener Aussage eines der beherrschenden Themen ihres inzwischen siebten Langspielers beleuchten. "Ich würde sagen, dass 'Wer sagt denn das' der wichtigste Song auf dem Album ist“, sagt Bandmitglied Henning Besser alias La Perla über das Stück, das namensgebend für das Album ist. "Er versucht sich einem zentralen Themenkomplex der aktuellen Zeit zu nähern. Es geht um die Spaltung der Gesellschaft, Rechtspopulismus, einen durch verschiedene Länder ziehenden Rechtsruck."
Deichkind will mit Fans "ein Gemälde malen"
Viele Menschen seien nicht mehr zugänglich für Argumente, ignorierten wissenschaftliche Studien und befänden sich in einer Filterblase. Es würden wieder Dinge in Frage gestellt, "wo wir eigentlich denken: Die haben wir doch schon geklärt". Die einheitlichen Kostüme sollen dabei an den Chor aus dem Theater erinnern, so La Perla, "mehrere Protagonisten, die sozusagen alle im Gleichtakt die Sätze sprechen".
Für ihre fantasievollen Bühnenshows und rauschhaften Konzerte sind Deichkind bekannt. Bei der neuen Tour werde man "mit Hintergründen, Bühnen, Kulisse, Requisiten, Performern, Kostümen, Choreographien und dem Publikum zusammen ein Gemälde malen", sagt Besser.
Deichkind hat sich vom Hip-Hop emanzipiert
Musikalisch ist das auch auf "Wer Sagt Denn Das?" eine Mischung verschiedener Stile: Electro, Punk, Hip-Hop, etwas Grime. "Hip-Hop ist immer ein tragendes Element von uns gewesen", sagt Sebastian Dürre alias Porky. "Das ist unser Sprach-Transportmittel." Doch andere Musikrichtungen gehören dazu. Sein Kollege Kryptik Joe erklärt, man habe sich ungefähr ab dem Jahr 2005 von der Hip-Hop-Szene abgenabelt. "Wir wollen uns eigentlich mehr mit Themen beschäftigen und nicht mit Musikgenres", sagt der Rapper, der bürgerlich Philipp Grütering heißt.
Konsum, Streaming und autonomes Fahren
Dabei verbinden Deichkind ihre Gesellschaftskritik wie immer auch mit viel Humor. Es geht neben Rechtspopulismus, Hass in Kommentarspalten und Filterblasen um weitere Auswüchse moderner Gesellschaften: Konsum, Streaming, autonomes Fahren und Hedonismus. Mit "Keine Party" nimmt sich die Band der Kritik an ihren WG-Party-Standards wie "Remmidemmi (Yippie Yippie Yeah)“ an: "Auf Partys nehmen sie Drogen und sind später dann am reihern, normale Menschen liegen jetzt schon lange in der Heia."
Lars Eidinger als neues Band-Maskottchen
Im Video zu dem Song tanzt Schauspieler Lars Eidinger stampfend zum hämmernden Beat durch Berlin. Auch in zwei weiteren Videos tritt Eidinger auf – zum Beispiel im am Dienstag erschienen "Dinge", in derm außerdem Das Bo prominent zu Wort kommt.
"Wir waren auf der Suche nach einem nagelneuen Band-Maskottchen", witzelt Besser. "Da wir im Freundeskreis niemanden gefunden haben, haben wir die Suche erweitert." Als prominente Gäste auf dem Album ist neben Böhmermann und Schulz unter anderem auch Bela B (Die Ärzte) zu hören. Ein Zeichen, wie sehr Deichkind, aber auch deutscher Hip-Hop insgesamt, im Mainstream angekommen sind.