Aber früher war mehr Lametta: Marius Müller-Westernhagen und seine Band präsentierten das kommende Album “Aphaltier“ in der ausverkauften Großen Freiheit 36. Der gelungene Auftakt zu einer Club-Tournee, die die Aura von Schweiß, Bier und Rock 'n' Roll verströmt.
Hamburg. Als Marius Müller-Westernhagen im Juni 1999 vor 80.000 Fans auf der Bahrenfelder Trabrennbahn seinen Abschied von der Bühne und damit von der Gigantomanie seiner Open-Air-Konzerte nahm, war eigentlich schon mit einem Wiedersehen zu rechnen. "Ich werde euch furchtbar vermissen", rief er unter Tränen. Sechs Jahre später war er zumindest zurück in den großen Hallen.
Aber dass man ihn mal nicht in der O2 World oder wenigstens in der Sporthalle (drei Mal ausverkauft 1989) sehen würde, sondern in einem klassischen Rockclub wie am Dienstag in der Großen Freiheit 36 oder 1980 in der Markthalle, das ist schon eine Überraschung. Zwar hat er schon vor zwei Jahren im Berliner Kesselhaus gerockt, aber 1. April bleibt 1. April.
Doch er ist tatsächlich da in der seit Wochen ausverkauften Freiheit, um die Songs seines am 25. April erscheinenden Albums "Alphatier" live in der Stadt zu präsentieren, in der der Wahlberliner lange Zeit lebte. Der Auftakt zu einer Kurztournee durch Schuppen, die noch die Aura von Schweiß, Bier und Rock'n'Roll verströmen statt Popcorn-Dunst und Polstersitz-Gemütlichkeit. "Wir sind sehr aufgeregt, wir haben die Songs noch nie vor Publikum gespielt, seid bitte gnädig", erzählt er in kleiner Runde vor dem Auftritt.
Dann heißt es "Hereinspaziert, Hereinspaziert" zu einer echten, 110 Minuten langen Vintage-Rockshow. Denn die neuen Lieder wie der kernige Blueser "Alphatier", das dramatische - großartige - "Liebe (um der Freiheit willen)" oder auch "Oh, Herr" und "Clown" orientieren sich am klassischen Sound von Led Zeppelin, Eric Clapton und Rolling Stones. Oder an Ton Steine Scherben, die auch lyrisch bei "Keine Macht" (sprich für Niemand) zitiert werden.
Wenn auch leise ausgesteuert, ist das das beste Fundament für Westernhagens Schwingschleiferstimme, welche die Patina von der Vertäfelung der Frahahahaheit schmirgelt. Die Gitarren sind knusprig, der Bass macht im Keller das Licht aus, die Orgel jubiliert. Wo Rickenbacker und Gibson drauf steht, da klingt es entsprechend. Sehr erdig.
Vielleicht vermisst mancher der 1500 Besucher das Brimborium und die Konfettiregen der Arena-Konzerte. Sogar auf seine sonst obligatorische Sonnenbrille verzichtet Westernhagen. Aber besonders "Halt mich noch einmal" zeigt schon enorme Hitqualitäten, der ganze Saal singt mit.
Trotzdem geht natürlich ein Ruck durch die Freiheit, als "Alphatier" nach 80 Minuten inklusive Bonustracks komplett durchgespielt ist. Denn "Willenlos", "Taximann", "Sexy", "Mit 18" und "Johnny W." schließen den Abend ab. Das könnte Westernhagen gern öfter machen, so ein Clubkonzert. Um der Freiheit willen.