Hamburg. Alexander Klar wollte das Werk von David Novros’ unbedingt haben. Es einzusortieren, ist gar nicht so einfach.

Im Jahr 1941 schuf der US-Künstler David Novros das Kunstwerk „Four Seasons“. Es ist fast zehn Meter lang und vier Meter hoch. Das ist doch schon einmal eine Ansage. Es zeigt großformatige rechteckige Farbflächen. Das kann einem gefallen, muss es aber nicht. Kunsthallen-Direktor Alexander Klar wollte es unbedingt haben, für ihn sei dieses Bild einfach magisch.

Es hat schon mehrere Versuche gegeben, dieses Kunstwerk einzusortieren. Die vier Elemente, Vivaldis „Vier Jahreszeiten“, die Himmelsrichtungen, vier Lebensphasen, der Vierteltakt in der Musik und die Jahreszeiten wurden unter anderem bemüht. Bis zum 31. Oktober ist in der Kunsthalle noch die Ausstellung „Viermalvier/Fourtimesfour“, kuratiert von Klar höchstpersönlich, zu sehen, Darin wird dieses Thema anhand von Novros’ Werk und einigen anderen Arbeiten optisch umgesetzt.

David Novros: Abstrakter Maler der Richtung Minimal Art

Die Ausstellung ist eine Nachfolgeveranstaltung zu „Die absurde Schönheit des Raumes“ und „Out of Space“ aus den vergangenen beiden Jahren. Ebenso wie bei „Viermalvier“ überließ man auch damals den Künstlerinnen und Künstlern eine Etage der Galerie der Gegenwart als Spielwiese, was zu spannenden Begegnungen der Werke mit den Räumlichkeiten des bemerkenswerten Quadratbaus von Oswald Mathias Ungers führte. Die aktuelle Ausstellung erinnert an die Eröffnung der Galerie der Gegenwart vor 25 Jahren unter Direktor Uwe Schneede. Der damalige Bundespräsident Roman Herzog hatte sie mit eröffnet.

Den 1941 geborenen US-Amerikaner David Novros zählt man zur Gruppe der abstrakten Maler der Richtung Minimal Art. Ihr Ziel ist es, Farbe eine plastische Form zu geben. Selbstverständlich lehnt Novros selbst eine solche Einsortierung ab. Manche Kunsthistoriker rechnen ihn eher seinen radikal monochrom arbeitenden Kollegen Paul Mogensen und Brice Marden zu. Charakteristisch für Novros sind Bilder, die man „shaped canvases“ (geformte Leinwände ) nennt, da sie nicht lineal, sondern plastisch wirken.

David Novros: „Four Seasons“, 1941, Maße je 174 x 351 cm (4-teilig), Öl auf Leinwand.
David Novros: „Four Seasons“, 1941, Maße je 174 x 351 cm (4-teilig), Öl auf Leinwand. © © David Novros/ Ausstellungsansicht Hamburger Kunsthalle | Fred Dott

Und doch wirken sie strukturiert und geordnet. In „Viermalvier“ wird dazu der Künstler Nam Jun Paik zitiert: „When too perfect, lieber Gott böse.“ Der Gegenentwurf zu Novros’ Bild ist „Vier Jahreszeiten. Opus 7 Der Mond ist aufgegangen“ von Hanne Darboven, das sie 1981 für die documenta 7 angefertigt hat.

Novros stammt aus einer Künstlerfamilie in Kalifornien. Seine Eltern waren ursprünglich beide Maler. Später wurden beide Filmemacher und arbeiteten an Animationsfilmen. Ihren Sohn schickten sie auf die Kunstschule. Auch der wollte zuerst zum Film. Er nahm Schauspielunterricht und traf dabei auf Leonard Nimoy („Raumschiff Enterprise“) und Jeff Corey („Butch Cassidy und Sundance Kid“). Aber die langen Wartezeiten bei Dreharbeiten gingen ihm auf die Nerven, und er konvertierte stattdessen zur Malerei.

David Novros staunte über die Galerien in New York

Die Eltern hielten vor ihren beiden Söhnen ein Familiendrama geheim. Ihre Mutter und deren Schwester waren in Polen aufgewachsen. Beide Frauen wurden von ihren Stiefbrüdern in die USA geschmuggelt. Die Mutter redete nie über Europa, bis sie einen Nervenzusammenbruch bekam. Die Kinder kamen vorübergehend in eine Pflegefamilie, bis es ihr wieder besser ging. „Danach haben wir unser Leben als eine arme, aber glückliche Familie fortgesetzt“, sagte Novros in einem Interview.

Als junger Künstler verließ er Kalifornien und ging zur Universität Yale in Connecticut. Bei einem vorherigen Besuch in einem Museum in Los Angeles soll ihn ein Bild des armenischen Künstlers Arshile Gorky sehr beeindruckt haben. Es hing falsch herum. David Novros beschwerte sich darüber. „Wir kümmern uns darum“, versprachen ihm die Betreiber. Ein paar Monate später kam er zurück. Es hing immer noch falsch herum. Gut vorstellbar, dass es den Minimalisten sehr gestört hat.

Im Alter von 19 Jahren brach er nach New York auf – und staunte über die Reichhaltigkeit der dortigen Galerien. „Meine Augen wurden geöffnet. Ich wusste, dass die Malerei ein Potenzial verkörperte, das ich vorher noch nie gesehen hatte.“ Eigentlich hatte Novros vorgehabt, nach Europa auszuwandern. Sein Vater war auch als junger Mann nach Paris gegangen, um Malerei zu studieren. Aber beide Eltern wollten, dass er zuerst seinen Uniabschluss machte.

Novros hatte schon als Kind Wandbilder gemalt

Also blieb er. Und kaufte sich vier Bilder von Clyfford Still. Der Amerikaner war ein abstrakter Expressionist und bekannt für seine großformatigen Bilder. „Auf jeder Wand war ein Bild. Die haben mich umgehauen“, erinnerte sich Novros. „Aber es waren gar nicht so sehr die Bilder, sondern die Erfahrung, in einen Raum zu kommen und Bilder zu sehen, die die Rolle der Wände eingenommen hatten.“

Novros selbst hatte schon als Kind Wandbilder gemalt, im Haus, in der Garage. Jedes Jahr eins, manchmal übermalte er sie wieder. Die Pinsel und Farben bekam er von seinem Vater. „Er war schlau und wusste viel über Wandmalerei.“ Über Filmemacherei natürlich auch. In seinem Studio wurden die Bilder für „2001: Odyssee im Weltraum“ entworfen. Aber dann ließ Regisseur Stanley Kubrick ihn fallen und vergab den Auftrag nach England. Im Gegenzug warb David Novros dem offenbar nicht besonders zahlungswilligen Regisseur später zwei Mitarbeiter ab.