Hamburg. Das Kunstspiel zum Mitmachen – jeden Montag im Abendblatt. Heute: Elfriede Lohse-Wächtler „Selbstbildnis“.
Das Gesicht präsentiert die Künstlerin frontal. Im Hintergrund hinter ihrem Kopf sieht man eine bunte Dekoration, die von Ferne an Blumen erinnert. Unverwandt und starr blicken die Augen an den Betrachtern leicht vorbei. Ihren Gesichtszügen und den breiten, muskulösen Schultern haftet etwas Maskulines an. Es ist kein schmeichelhaftes, eher ein schonungsloses Porträt und ist sehr viel unvorteilhafter als ihr ein Jahr zuvor entstandenes Selbstporträt.
Elfriede Lohse-Wächtler (1899– 1940) kam aus Dresden und studierte zunächst Mode an der Kunstgewerbeschule ihrer Heimatstadt. Dann wechselte sie zum Fach angewandte Grafik und konnte ihren Lebensunterhalt durch Lithografien und kunstgewerbliche Arbeiten finanzieren. „Das kleinbürgerliche Elternhaus, besonders der Vater, war mit der Exzentrik und Kreativität der Tochter überfordert und versuchte zu verhindern, dass sie Malerin wurde“, heißt es in einer Kurzbiografie der Sächsischen Gedenkstätten.
Hamburger Kunsthalle: Lohse-Wächtler litt privat
Sie schloss sich der Dresdner Sezession mit Otto Dix, Conrad Felixmüller und Pol Cassel an. 1921 heiratete sie den Opernsänger Kurt Lohse und zog mit ihm nach Hamburg. Sie wurde Mitglied im „Bund Hamburger Künstlerinnen“. Privat ging es ihr aber nicht gut, Ehekrisen und finanzielle Probleme prägten ihr Leben. Lohse-Wächtler erlitt einen Nervenzusammenbruch und wurde in die Krankenanstalt Friedrichsberg (heute: Schön Klinik Eilbek) eingewiesen.
Dort porträtierte sie etwa 60 Mitinsassen für die „Friedrichsberger Köpfe“ im Stil der Neuen Sachlichkeit. Nach der Entlassung – sie gilt als ihre kreativste Schaffenszeit – schuf sie Bilder vom Hafen, von Arbeiterinnen und Prostituierten. Ihre Selbstporträts nannte sie „schonungslos“.
Lohse-Wächtler von Nationalsozialisten ermordet
Anfang der 30er-Jahre kehrte sie zu ihren Eltern nach Dresden zurück. Auch dort kam sie ins Krankenhaus, Ärzte diagnostizierten Schizophrenie. Damit fiel sie unter das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ und wurde trotz heftiger Gegenwehr 1935 zwangsweise sterilisiert. Danach war sie seelisch und künstlerisch gebrochen. 1940 wurde sie auf Sonnenstein bei Pirna in die Gaskammer getrieben und ermordet.
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1937 beschlagnahmten Nationalsozialisten im Rahmen der Aktion „Entartete Kunst“ neun Bilder von Lohse-Wächtler aus den Museen in Altona und dem Museum für Kunst und Gewerbe. Sechs davon zerstörten sie. Ende der 1980er-Jahre wurde ihr Werk wiederentdeckt. Es entstand der Dokumentarfilm „… es wird schon alles wieder gut … Porträt der Malerin Elfriede Lohse-Wächtler“. Auf dem Gelände der Schön Klinik wurde ein Rosengarten für sie errichtet. Im „Garten der Frauen“ auf dem Ohlsdorfer Friedhof gibt es einen Stein mit Erinnerungsspirale für sie. Von ihr stammt der Satz: „Ich bin blöde genug, trotz aller Erfahrungen immer noch zu glauben, dass es doch noch Menschen gibt.“