Hamburg. Der legendäre Singer-Songwriter blickt in Hamburg auf sechs Karrierejahrzehnte zurück. Zum Schluss gab es einen besonderen Song.
„We can change the world“, singt Graham Nash in seinem Lied „Chicago“ und viele in der ausverkauften Elbphilharmonie würden diese Zeile wohl hoffnungsvoll unterschreiben. Allerdings ist der Song schon mehr als 50 Jahre alt.
Nash hat ihn geschrieben, nachdem acht linke Aktivisten nach Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg beim Parteikonvent der Demokratischen Partei 1968 in Chicago angeklagt worden waren.
Elbphilharmonie: Graham Nash blickt auf sechs Karrierejahrzehnte zurück
Wie viele andere waren Nash und seine Musikerfreunde Neil Young, Stephen Stills und David Crosby entschiedene Kriegsgegner, doch konkret ausrichten konnten sie nicht viel – nur Songs schreiben und die Stimme erheben. Aus derselben Zeit stammen auch „Find The Cost Of Freedom“ und „Military Madness“. Nash verbindet sie in Hamburg mit einer Anklage gegen Russlands Präsidenten Putin und dessen „kranken Krieg“, wie er sagt.
Mit seinen 81 Jahren ist Graham Nash ein Veteran und eine Legende der Rockmusik. In der Elbphilharmonie, die er als „den schönsten Ort“ feiert, an dem er jemals gespielt habe, präsentiert sich der in den USA lebende Engländer in Top-Verfassung. Schlank und rank steht er auf der Bühne, ist bestens bei Stimme und sehr konzentriert bei jedem Lied und jeder Ansage.
Buddy Holly ist einer der ganz großen Helden von Graham Nash
Unterstützt wird er von dem Gitarristen Shayne Fontayne, der unter anderem in den Tourbands von Bruce Springsteen und Joe Cocker gespielt hat, und vom Keyboarder Todd Caldwell, der aus Lubbock/Texas stammt, dem Ort, an dem auch Buddy Holly geboren wurde. Den Rock-’n’-Roll-Star hat Graham Nash sehr verehrt, deshalb nannte er seine erste Band The Hollies. Im Zugabenteil singen die drei Buddy Hollys „Everyday“ a cappella.
Im Laufe seiner langen Karriere hat Graham Nash eine Vielzahl politischer und gesellschaftskritischer Lieder geschrieben und er war maßgeblich an der „No Nukes“-Bewegung beteiligt, die sich gegen die Nutzung der Atomkraft starkgemacht hat. Aber er hat mindestens ebenso viele Liebeslieder verfasst.
Elbphilharmonie: Einen Song widmet Graham Nash seiner Ex-Liebe Joni Mitchell
Nash ist zum dritten Mal verheiratet, besonderen Eindruck hat aber die zweijährige Beziehung zu seiner Musikerkollegin Joni Mitchell hinterlassen, der er an diesem Abend gleich drei Songs widmet. „Used To Be King“ komponierte er, nachdem das Paar sich getrennt hatte, „Lady Of The Island“ ist eine verrätselte Liebeserklärung und mit „Our House“ vom Album „Déjà Vu“ verbindet er den Wunsch, dass Mitchell sich von ihrem Aneurysma weiter gut erholt. Einen Song hat er auch für seine dritte Frau Amy im Repertoire. „In ,Love Of Mine’ geht es zwar um einen Streit, aber es ist dennoch ein Liebeslied“, erzählt er.
„60 Years Of Songs And Stories“ heißt die laufende Tournee. 1962 gründete Nash zusammen mit dem Sänger Allan Clarke die Hollies. Das Quintett gehörte zu den erfolgreichsten Popgruppen Großbritanniens. Aus dieser Ära singt und spielt Nash „Bus Stop“, 1966 ein Single-Hit. 1968 verließ Nash die Hollies auf dem Höhepunkt ihres Erfolges, nachdem er in Kalifornien David Crosby kennengelernt hatte.
Den in diesem Jahr verstorbenen Sänger und Gitarristen bezeichnet er als einen seiner besten Freunde. Für ihn setzt er sich an eine Orgel und spielt das sakrale „Critical Mass“, bei dem das Saallicht komplett heruntergedimmt ist und nur ein paar Dutzend Kerzen auf der Bühne etwas Licht geben, und anschließend „Wind On The Water“.
Graham Nash in Hamburg: Die Setlist wird immer wieder neu zusammengestellt
Auch seine Kollegen Stephen Stills und Neil Young, mit denen er unter anderem beim Woodstock-Festival aufgetreten ist, werden in dem „Songs And Stories“-Konzert gewürdigt: Stills mit „4 + 20“ und Young mit „Long May You Run“, ein Song über dessen erstes Auto. Youngs Buick Roadmaster aus dem Jahr 1948 gab allerdings 1962 den Geist auf.
Graham Nash hat Aberdutzende Songs geschrieben, sein Repertoire ist immens. Vor jedem Konzert wird neu entschieden, welche Stücke gespielt werden. Die Setlisten aus München und Berlin unterscheiden sich deutlich von der aus Hamburg. Überall gleich sind nur die beiden Zugaben.
Nachdem das Publikum die drei Musiker gegen 22 Uhr mit Ovationen von der Bühne entlassen hat, kehren sie schnell zurück, um zunächst das bereits erwähnte „Everyday“ zu singen und zum Schluss „Teach Your Children“, ein Song, der Nash besonders am Herzen liegt. Darin geht es um Hoffnung auf eine bessere Welt. Zu Beginn des Abends hatte er bereits in der Ansage für das aktuelle „A Better Life“ gemahnt, unseren Kindern und Enkeln keinen zerstörten Planeten zu hinterlassen.
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Graham Nash: Letzter Song für die Erdbebenopfer in Marokko
Obwohl das helle Saallicht und leise Hintergrundmusik signalisieren, dass das Konzert endgültig beendet ist, bleiben die meisten Zuschauer auf ihren Sitzen und applaudieren unaufhörlich weiter. Und tatsächlich kommen Nash, Fontayne und Caldwell noch einmal auf die Bühne und spielen eine der bekanntesten Nummern von Crosby, Stills & Nash.
„Ihr habt euch vielleicht gewundert, dass ,Marrakesh Express’ nicht dabei war. Aber angesichts des katastrophalen Erdbebens mit mehr als 1000 Toten in Marokko, erschien es uns nicht richtig, den Song zu singen“, erklärt Nash. Und dann kommt der Song doch noch – als Gedenken an die leidende Bevölkerung in Marokko.