Hamburg. Der Generalmusikdirektor dirigierte mit sparsamen Gesten, ehrfürchtige Dankesworte eröffneten das Programm.

Klaus-Michael Kühne ist ein wichtiger und vielseitig engagierter Mäzen des Hamburger Kulturbetriebs. Für den von ihm sehr geschätzten Kent Nagano und dessen Philharmonisches Staatsorchester hatte er die sprichwörtliche Schatulle seiner Stiftung besonders weit geöffnet – und über fünf Jahre verteilt fünf Millionen Euro springen lassen.

Dafür revanchierte sich das Orchester jetzt mit einem Sonderkonzert in der Elbphilharmonie. Ehrfürchtige Dankesworte seines Chefdirigenten eröffneten ein Programm, das der Doppelvorliebe des Ehepaars Kühne für Oper und Konzert Rechnung trug und Werke aus beiden Genres zusammenbrachte.

Elbphilharmonie: Die Philharmoniker spielen packend und wuchtig

Nach einer kurzen Festouvertüre für Blechbläser, von Felix Stachelhaus anlassgemäß kurzweilig komponiert, rückte das wohl berühmteste Paar der europäischen Hochkultur ins Zentrum. Mit Romeo und Julia, deren tragische Liebesgeschichte Sergej Prokofjew in einer Ballettmusik vertont hat.

Die Auszüge aus dieser Ballettmusik fesseln auch ohne Choreografie. Wie sich die Einsätze der Blechbläser ineinander verbeißen, wie der Klang anschwillt und in einem dissonanten Akkord implodiert: Dieser Beginn der zweiten Suite erzählt, musikalisch verdichtet, vom Konflikt zwischen den verfeindeten Familien der Montagues und der Capulets; die grellen Klangballungen spoilern schon den tragischen Ausgang.

Die Philharmoniker spielen das packend und wuchtig und legen mit dem nächsten Bild gleich den Schalter um. Flöte und Geige schmiegen sich zärtlich aneinander an, mischen eine weiche Farbe, mit der sie das Porträt der jungen Julia pinseln.

Elbphilharmonie: Naganos Dirigat beschränkt sich auf sparsame Gesten

Das viel beschäftigte Orchester – am Vorabend noch auf dem Rathausmarkt unterwegs – spürt den Stimmungswechseln nach, variiert Farbe und Tempo. Allerdings ist nicht immer klar, wie viel Einfluss Nagano darauf nimmt. Sein Dirigat beschränkt sich auf sparsame Gesten, versprüht wenig Esprit und Feuer. Da kommt nicht viel vom Pult.

Aber die Philharmoniker finden einen Weg damit umzugehen, sie emanzipieren sich. Als erfahrenes Opernorchester sind sie es ja gewohnt, in die Atmosphäre der Musik einzutauchen.

Das gelingt ihnen auch im zweiten Akt aus Saint-Saëns‘ Oper „Samson et Dalila“. Die Klarinetten säuseln, die Streicher schmachten. Sie füllen den Raum mit dem gurrenden Sound der Verführung – und lassen einen fast vergessen, dass es „nur“ eine konzertante Aufführung ist. Vom Herzstück der Oper, in der Dalila den hebräischen Superhelden Samson becirct, um ihn an die Philister zu verraten.

Elbphilharmonie: Egils Siliņš gibt den Oberpriester mit sattem Bassbariton

Auch hier hält sich Nagano zurück. Aber er hilft trotzdem. Indem er sich leicht nach vorne neigt, mit Augen und Händen ganz bei den Vokalsolisten hinten auf der Bühne ist, signalisiert sein ganzer Körper: Hört auf den Gesang!

Und das funktioniert. Für das Orchester, das sensibel begleitet. Und fürs Publikum, das nichts weniger als vokale Weltklasse erlebt. Egils Siliņš gibt den Oberpriester mit sattem Bassbariton. SeokJong Baek vereint als Samson tenoralen Schmelz und Leuchtkraft. Und Elīna Garanča ist eine Dalila zum Niederknien. Die lettische Mezzosopranistin grundiert ihr Luxussamttimbre oft mit den dunklen, erdigen Noten des Brustregisters, verströmt ein dichtes Legato. So klingt stimmgewordene Sinnlichkeit. Da wird selbst ein unbezwingbarer Krieger wie Samson schwach. Ganz, ganz großes Verzückungs-Kino