Hamburg. Chöre, Mondschein, Feuerwerk – der Rap-Pop-Star feierte auf der ausverkauften Trabrennbahn sein bislang größtes Konzert.
Na, so ein Glück! Cro steht tatsächlich auf der Bühne der Trabrennbahn und beginnt unter Flammen und Nebel mit „I Can Feel It – Intro“. Wenn man den aus dem Stuttgarter Raum stammenden und auf Bali lebenden Rapper schon von Anbeginn begleitet, weiß man: Cro und Bahrenfeld, das ist schon eine besondere Nummer. Gerade an diesem Donnerstag. 25.000 Fans sind gekommen. Ausverkauft. Es wirkt zwar deutlich leerer als bei Deichkind und AnnenMayKantereit, aber das Publikum ist hier auch „kleiner“: „Hi Kids“, grüßt Cro vor der Videoleinwand-Kulisse.
Cro feiert in Hamburg sein bisher größtes Konzert
Vor zehn Jahren trat Carlo Weibel, wie er eigentlich heißt, zum ersten Mal auf der Trabrennbahn auf. Sein erstes Album „Raop“ und der Hype um den Mann mit der Panda-Maske waren noch ganz frisch. 2012 ging er mit der Single „Easy“ derart schnell steil, dass man ihn in Hamburg noch als unbekannten Newcomer für Konzerte gebucht hatte, um die sich dann alle balgten: Im Uebel & Gefährlich, umsonst und draußen beim Campus Open Air vor dem Audimax und beim Reeperbahn Festival im Docks.
Auf der Trabrennbahn war es 2013 (und 2015) „Genau so“: 15.000 passten damals gerade so eben noch auf das seinerzeit noch in der Westkurve angelegte Konzertgelände. Und Cro wurde beinahe rausgeworfen: Ohne Maske und Backstagepass erkannten ihn die Ordner nicht.
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Aber jetzt singt er „Die Welt gehört dir“ und meint sich. Sein Gesicht ist mittlerweile auch unmaskiert wohlbekannt, wobei der Kopfputz, auf dieser Tour eine Mischung aus Daft Punk und dem Roboter „EVE“ aus dem Pixar-Hit „WALL·E“, sein Markenzeichen bleibt. Der Boden ist Stroh bei Cro. Und warum hast du eine Maske auf?
Cro-Konzert in Hamburg: Anreise war wieder ein Desaster
Es bleibt alles beim Neuen. Das Gelände wurde letztes Jahr, als Cro noch zweimal den Stadtpark füllte, um 10.000 Plätze vergrößert. Aber dass die Jahre fortgeschritten sind, sieht man eigentlich nur vor den Eingängen bei den diesjährigen „Kultursommer“-Konzerten von AnnenMayKantereit, Deichkind, Cro, Fettes Brot und Peter Fox: Rund um die Luruper Chaussee stapeln sich neben Hunderten Fahrrädern ebenso viele Elektroroller. Im Umkreis von drei, vier Kilometern dürfte an diesem Abend kein Leihscooter mehr aufzutreiben sein. Die Anreise mit Bus und Bahn war übrigens wieder ein mittleres Desaster, 90 Minuten vom Gänsemarkt bis zur Trabrennbahn – Respekt!
„Ist es Liebe auf den ersten Blick? Oder muss ich noch mal reinkommen?“, heißt es in „Dein Song“. Cro muss nicht zweimal reinkommen bei seinem insgesamt dritten Auftritt in Bahrenfeld. Hier fliegen ihm und seiner kompakt, funky und dynamisch spielenden Liveband (mit DJ am Weber-Grill-Pult) die Herzen zu: „Starr’ dich seit drei Stunden an“ und singe und klatsche und kreische. El Carlo behält den Überblick auf der ins Publikum erweiterten Bühnenrampe mit Peepshow-Drehteller: „Ich glaube, das ist jetzt schon das beste Konzert der ganzen Tour.“
Da kann er sich in Ruhe die Schnürsenkel zuknoten und bei „I Know“ vorne die erste Reihe abmarschieren. Die dreht entsprechend komplett durch, an den nur spärlich gefüllten Bühnenflanken hastet alles an die Gitter, heilloses Durcheinander. Ein Teenager springt den Autor dieser Zeilen an und kreischt ihm mit kippender Stimme direkt ins Ohr, dass vor Schreck fast das Handy in den Bierbecher fällt: „Oh! Mein! Gooooott!“ Wo ist der Gehörschutz, wenn man ihn braucht?
Wer einen Handstand kann, darf später tatsächlich mit nach oben
„Alle Handylichter an. Kommt mal alle hoch, und schaut euch das an!“, bittet er bei „Ein Teil“. Wer einen Handstand kann, darf später tatsächlich mit nach oben. Cro, der Kinderschokoladenjunge des deutschen Hip-Hop, hat für jeden das passende Klangprodukt parat, flauschig wie die mit Kunstrasen ausgelegte Bühne.
„Einmal um die Welt“ geht es in Hamburg stilistisch mit dem von ihm selbst ausgerufenen Genre Raop. Rap und Pop. „King of Raop”. „Ich bin ein Mensch, der alles hört, von Bob Marley über Michael Jackson und Dr. Dre bis zu Bob Dylan oder Wombats“, erzählte er vor Jahren im Abendblatt-Interview im legendären Boogie Park Studio in Altona, wo schon Udo Lindenberg und Jan Delay ihre Tonspuren hinterließen. Die Liste der Songideen, die Cro damals auf seinem Laptop zeigte, war schier endlos.
Flammen, Chöre, Mondschein, Feuerwerk – was für ein Abriss
Mittlerweile sind daraus fünf Nummer-eins-Alben geworden, zuletzt erschienen vor einem Jahr „11:11“ sowie vor einer Woche die EP „Spacejam“ mit acht neuen Liedern, von denen er einige wie „Nie weg“ und „So bad“ auch in Bahrenfeld präsentiert. Der Mann hat einen enormen Output, die diversen Kollabos mit einer bunten Tüte Rappern von RAF Camora bis zum auf der Trabrennbahn an Mikro und Gitarre mitmischenden Badchieff und mit Popkollegen wie Casper oder die eben erwähnten AnnenMayKantereit kommen ja noch dazu. Ach guck, Casper wird in Bahrenfeld auch noch für das Duett „Sommer“ aus dem Hut gezaubert.
Flammen, Chöre, Mondschein, Feuerwerk, badaboom, badabang. Was für ein Abriss. 25.000 Herzen bewegen sich bei „9 bis 9“ und „Traum“ zum Bass. Aber auch die lange, lange Setlist von Cro hat nach 100 Minuten mal ein Ende, auch wenn der Song „Unendlichkeit“ etwas anderes verspricht. Mit „Easy“ und „Letzter Song“ wird eine famose, maximal unterhaltsame Show beendet.
„Schreib dein’ letzten Song, und schließ damit ab“, sind Cros letzte Worte. Aber seinen letzten Song hat er noch lange nicht geschrieben, und abgeschlossen werden nur die Tore hinter den letzten Fans. Nach dem – für die Statistik – bislang größten Konzert in Cros Karriere. Auf der Trabrennbahn, wo auch sonst?