Mit dem neuen Album „Melodie“ bleibt der Suttgarter Hip-Hop-Shootingstar Cro seiner Erfolgsformel treu: Rap und Pop, zu dem Mädchen tanzen. Im November kommt er für ein Konzert nach Hamburg.
Hamburg. Auch mit zwei Jahren Abstand ist dieser Sommer 2012 schwer zu begreifen. Aus den Tiefen des Stuttgarter Hip-Hop-Untergrunds schoss Rapper Cro alias Carlo Waibel, ein Schlacks mit Pandamaske, zuerst mit dem Song „Easy“ und dann mit dem Album „Raop“ nach ganz oben. Und die Hamburger Veranstalter von Campus Open Air und Reeperbahn Festival, die sich Cro schon vor seinem Durchbruch reserviert hatten, wurden plötzlich kaum des Andrangs Herr. Die Trabrennbahn passte ein Jahr später schon besser, 15.000 kamen nach Bahrenfeld.
Im Frühjahr 2014 hat sich der Rummel um den „King of Raop“, der Mischung aus Rap und Pop, immer noch nicht gelegt. Ein Gratiskonzert im April in der Fischauktionshalle wird abgesagt, weil Veranstalter und Behörden die Sicherheit im öffentlichen Raum nicht garantieren können. Cro hat zu dieser Zeit schon den nächsten Streich parat: Das neue Album „Melodie“, das an diesem Freitag in den Handel kommt. D-Day für Konzertagenturen, Cros Plattenfirma Chimperator, Radiosender und Mainstream-Club-DJs. Die Single „Traum“ läuft schon seit Anfang Mai überall rauf und runter.
Szenenwechsel. Ein Hinterhof in Altona. Scooter-Sänger HP Baxxter fährt seinen alten Jaguar aus der Garage, ein Stockwerk höher wird in einem Tonstudio zum Probehören von „Melodie“ geladen. In einer Ecke sitzt ein unscheinbarer Junge und spielt an seinem Laptop. „Hallo, Carlo“, wird er von der Promoterin begrüßt. Das ist also Cro ohne seine Pandamaske. Sieh an. „Dann leg ich mal los“, sagt Cro und spielt die neuen Lieder direkt vom Rechner aus ab.
Oh, wie die harten Straßenrapper dieses Album wieder verabscheuen werden. Und wie Tausende Mädchen auf den Dancefloor und in die erste Konzertreihe stürmen werden. Schon die ersten Tracks „Intro – I Can Feel It“, „Erinnerung“ und natürlich „Traum“: starker Zug zum Ohr, poppige Samples, Mariachi-Trompeten, funkige Bassspuren. Teddymusik zum Knuddeln im Zeichen des Bambusbären. Bis auf ein paar Nummern, bei denen Kumpel Shuko als Produzent Hand anlegte, entstanden die Tracks im Heimstudio im Alleingang.
Alleinunterhalter des deutschen Pop
Auf diesem Fundament erzählt Cro von „Echo und Bambi“, er ist jetzt „reich und berühmt“. Und „so viele Rapper hassen mich“. Ihn, den Alleinunterhalter des deutschen Pop, der sich nicht zu schade ist, bei „Bad Chick“ wie eine herkömmliche Boygroup zu klingen. Oder mit „Hey Girl“ Textbausteine für besonders plumpe, aber zeitgemäße Liebes-SMS abzuliefern: „Wärst Du ’ne Dauerwelle, fänd’ ich die 80er nice. Wärst Du ein Porno, hätte ich ’nen Oberlippenbart.“ Komplett schmerzbefreite Narrenfreiheit unter der Pandakappe. Auf der Albumhülle prangt Cro als Cäsarenbüste, die auch an Batman erinnert. Ein geheimnisvoller Superheld.
Die Distanz zwischen Privatleben und Öffentlichkeit bewahrt sich Cro weiterhin. „Ich gehe von der Bühne der Trabrennbahn, nehme die Maske ab und werde prompt von keinem Ordner mehr durchgelassen“, lacht Cro. Dort, hinter der Bühne, ist der 24-Jährige erwachsener geworden. „Früher war ich unabgecheckter und dauernd zu spät. Jetzt muss ich, zum Beispiel für mein Modelabel Vio Vio, Entscheidungen über viel Geld fällen. Und dann noch die ganzen Exposés, die Häuser, welche Rendite springt da raus? Es gibt so viele Gründe, warum ich erwachsener sein muss“, kokettiert er. Und doch wäre er lieber der „Kinderschokoladenjunge“, wie er in „Never Cro Up“ singt. „Der wird nie erwachsen und sieht immer gleich aus.“
Doch nicht jede Entscheidung, die Cro trifft, ist so eigensinnig, wie man es bei einem Do-it-yourself-Chartsstürmer erwarten würde. Das Lied „Jetzt“ überspringt er beim kommentierten Schnelldurchlauf. „Das war einer der ersten Tracks, der im November fertig wurde. Und irgendwie war der mir zu poppig ausgelegt. Aber sehr viele in meinem Umfeld haben für ‚Jetzt‘ ihre Hand ins Feuer gelegt, damit er auf das Album kommt.“ Interessanterweise klingt „Jetzt“ sowohl lyrisch als auch musikalisch wie eine direkte Antwort auf den im Dezember veröffentlichten Top-Ten-Hit „Kids (2 Finger an den Kopf)“ des kaum minder erfolgreichen Rostocker Rappers Marteria. „Oh Mann! Jeder spricht mich darauf an, obwohl ich da ganz anderer Meinung bin. Na, ja. Damit muss ich leben.“
Parallele zu Jan Delay
Eine weitere kleine Parallele gibt es zu Jan Delay und seinem aktuellen Album „Hammer & Michel“. „Wir waren hier II“ ist ein klassischer Gitarrensong, wenn auch eher an Indie-Rock orientiert als an „adult-oriented Rock zwischen Bryan Adams und Toto“, wie Delay seinen neuen Sound passend beschrieb. Cro greift jedenfalls gern in unterschiedliche Schubladen und Archive. „Ich bin ein Mensch der alles hört, von Bob Marley über Michael Jackson und Dr. Dre bis zu Bob Dylan oder Wombats. Aber nur Rock? Nee, das wäre mir zu viel und zu einseitig.“ Cro überlegt einen Moment, nimmt einen Zug aus der Flasche. „Obwohl... vielleicht trage ich mal eine andere Maske, verändere meine Stimme ein wenig und mache heimlich eine reine Rockplatte. Die geht dann völlig unter und keiner außer mir merkt das.“
„Melodie“ aber wird ganz sicher nicht unbemerkt untergehen. Und die O2 World ist auch schon für den 21. November und 12.000 Fans gebucht. Das ist kein Cäsarenwahn, Cros „Traum“ ist Realität: „Sieh, der Jet ist getankt, ich hab Geld auf der Bank und auch jede Menge Plätze hier.“
Cro: „Melodie“-Album (Chimperator/Groove Attack) ab 6.6. im Handel; Konzert: Fr 21.11., 20.00, O2 World, Karten zu 43,40 im Vorverkauf; www.cromusik.info