Hamburg. „Altwerden ist nichts für Feiglinge“ – so der Untertitel des komischen Best-Ager-Spektakels. Die Premierengäste tobten geradezu.

„Ich hab mir meine Falten weggefressen“, sagt die füllige Doris (Angelika Mann) und bekommt für dieses Bonmot den ersten Lacher. Die Hausfrau, Body-Mass-Index 53,7, hat in der Park-Klinik für Plastische Chirurgie bei Dr. Steinberg eingecheckt, um sich Krampfadern veröden zu lassen. Sie ist eine patente und lustige Person, ganz anders als die Karrierefrau Gaby (Bianca Karsten).

Die ist immer auf Zinne, faltet am Telefon ihre Mitarbeiter zusammen, ist völlig überspannt und hat einen Blutdruck von 160/120. Sie ist eine bildschöne Frau von 57 Jahren, möchte sich aber runderneuern lassen, um gegen 35 Jahre alte Kolleginnen noch „bella figura“ machen zu können.

Winterhuder Fährhaus: „Himmlische Zeiten“ wird seit Jahren gefeiert

Die hochschwangere Tanja, im Stücktext „Die Junge“ genannt (Nini Stadlmann), hat sich in der Station geirrt. Auch die mit einem Kopfverband im Rollstuhl sitzende Viola alias „Die Vornehme“ (Ursula Berlinghof) gehört nicht in die Abteilung Schönheitschirurgie, sondern eher in die Psychiatrie, denn sie hat starke Aussetzer und glaubt, dass sie in einem Flugzeug sitzt, First Class natürlich, und nicht in dem aseptischen Krankenzimmer, das von der karrieregeilen Gaby beherrscht wird.

„Himmlische Zeiten“ mit dem Untertitel „Altwerden ist nichts für Feiglinge“ hat Tilmann von Blomberg seine Revue betitelt. Als Sommer-Inszenierung läuft das Stück bis zum 3. September in der Komödie Winterhuder Fährhaus und dürfte nach der begeisterten Reaktion des Premierenpublikums ein Renner werden. Es ist der Abschluss einer Trilogie mit den vorangegangenen Stücken „Heiße Zeiten“ und „Höchste Zeit“, die in Hamburg mit denselben Figuren, aber anderen Schauspielerinnen am St. Pauli Theater und in der Komödie in Winterhude gelaufen sind.

Die Revue, bei der Christian Gerlitz neue Texte und Arrangements für bekannte Pop-Hits geschrieben hat, wird seit Jahren überall gefeiert, wo sie gastiert. Das ist jetzt in Hamburg nicht anders. Die Premierengäste toben geradezu, als das Stück nach zwei Stunden zu Ende ist, begeistert klatschen sie bei der letzten Nummer „Blame It On The Boogie“ mit und applaudieren den vier exzellenten Schauspielerinnen im Stehen.

Doris ist fortan nur noch als Geist Teil des komischen Spiels

Angelika Mann spielt die Doris als patente Hausfrau mit Berliner Schnauze. Sie hat mit ihrem Mann Fritz ein normales und zufriedenes Leben geführt, doch nun hat sie Angst vor Altersarmut. „Altwerden ist scheiße“, sagt sie. Das Dach ist undicht, 20.000 Euro fehlen, doch Gaby, versiert in Finanzfragen, verspricht schnelle Hilfe. Nur erlebt Doris diese Hilfe nicht mehr. Zu Beginn des zweiten Akts thront sie auf einem erhöhten Sitz, an ihrem großen Zeh hängt ein Zettel, wie man ihn aus dem Leichenschauhaus kennt. Doris hat einen Herzinfarkt erlitten und ist fortan nur noch als Geist Teil des komischen Spiels.

Als wahrer Wirbelwind zeigt sich Bianca Karsten als Karrierefrau Gaby. Sie fegt in ihrem satinschwarzen Schlafanzug über die Bühne, sieht nur sich und ihre Karriere, überschüttet vor allem die schwangere Tanja mit kleinen Gehässigkeiten, doch am Ende merkt auch sie, dass Fettabsaugen, Schamlippenstraffung und Botox ihr auch keine Jugend zurückbringen können.

Am Ende feiern die Frauen ihre Freundschaft und das Leben

Die jüngste in dieser Riege ist Tanja, mit 45 Jahren zum zweiten Mal schwanger. Bereits in den Stücken davor war sie immer eine echte Heulsuse, auch in „Himmlische Zeiten“ lässt Nini Stadlmann ihren Tränen freien Lauf. Ihr Mann betrügt sie mit einer 19-Jährigen, er kümmert sich nicht. Doch auch für Tanja gibt es eine Lösung.

Die hat Viola parat, die Vornehme. Anfangs glaubte man, dass der Golfball, den sie an den Kopf bekommen hat, für ihre Aussetzer verantwortlich ist, doch in einem wachen Moment gesteht sie, dass sie an Alzheimer leide. Ursula Berlinghof spielt ihre Figur als Frau mit einem großen Herzen und schafft es am Ende, die anderen Frauen glücklich zu machen. Sie sorgt mit ihren unvermittelten, oft absurden Einwürfen, für die größten Lacher. Am Ende schlagen die Frauen dem Alter ein Schnippchen, feiern ihre Freundschaft und das Leben.

Winterhuder Fährhaus: Vier singende Schauspielerinnen sind zu loben

Diese Revue funktioniert so gut, weil Carsten Gerlitz ein Dutzend schmissige Pop-Songs ausgesucht und dazu deutsche Texte geschrieben hat, die zum Stück passen wie „Wir brauchen Omas“ oder „Wenn nicht jetzt, wann denn dann?“.

Klaus Lages „Faust auf Faust“ und Laura Branigans „Gloria“ sind bei diesem komischen Best-Ager-Spektakel in neuen Versionen genauso dabei wie „YMCA“ von den Village People (geht immer!) oder Louis Armstrongs „What A Wonderful World“ (geht auch immer!!). Autor Tilmann von Blomberg beherrscht die Kunst schneller Wortwechsel und lustiger Pointen, Regisseurin Katja Wolff, die an der Entwicklung der drei Revuen mitgewirkt hat, hat das Spiel mit Tempo inszeniert.

Und die vier singenden Schauspielerinnen sind über alle Maßen zu loben. Sie können singen und tanzen, sie haben das notwendige exakte Timing für die vielen Pointen des Stücks. Ihre Spielfreude überträgt sich ins Parkett und auf den Rang; schon zur Pause ist die Euphorie der Zuschauer zu spüren. Am Ende wird daraus ein Jubelsturm und beschert der Komödie ein ideales und leichtes Stück für den Sommer.

„Himmlische Zeiten“ bis 3.9. täglich außer Mo, Komödie Winterhuder Fährhaus, Hudtwalckerstraße 13, Karten zu 25,- bis 39,50 unter T. 040/48 06 80 80; www.komoedie-hamburg.de