Hamburg. Riesige Party mit Balkan Jazz: Goran Bregović ist mit seiner Kerntruppe nach Hamburg gekommen und liefert ein Best-of-Programm.
Eine Trompete macht den Anfang, zwei Tubas und ein Flügelhorn gesellen sich hinzu und dann marschiert eine kleine Blaskapelle mitten durch die Zuschauer im Stadtparkrund in Richtung Bühne. Dort hat Goran Bregović, Bandleader des von ihm gegründeten Wedding And Funeral Orchestra, Platz genommen.
Ein Saxofonist, ein Trommler und zwei Sängerinnen in bunten Trachten gehören ebenfalls zu seinem deutlich abgespeckten Ensemble. Es gibt Auftritte der serbisch-kroatischen Gruppe, bei der doppelt so viele Musikanten mit dabei sind, Bregović hat seine Musik auch schon mit großen Orchestern präsentiert.
Stadtparkkonzerte: Goran Bregović begeistert mit Umpta Umpta sein Publikum
Doch ob mit 59, 19 oder neun Musikern: Volksfestmusik ist garantiert, wenn Bregović irgendwo mit seinen Kapellen auftaucht. Das ist an diesem Abend in Hamburg nicht anders. Selbst in den engen Reihen des zum Teil bestuhlten runden Areals hält es niemanden auf den Sitzen, als die Combo mit ihrem energiegeladenen Umpta Umpta anfängt.
Wenn die beiden Tubaspieler und der Trommler den Beat rollen lassen, muss einfach getanzt werden. Seit 1998 ist Bregović mit seinem Orchestra unterwegs, etwa 100 Konzerte gibt er jedes Jahr. Nach Hamburg ist er mit seiner Kerntruppe gekommen. Und die liefert ein Best-Of-Programm ab, ganz nach dem Geschmack der 2000 Zuhörer.
Balkan Jazz klingt durch den Stadtpark
Muharem Redzepi, sein Trommler und Sänger, schmettert die Songs meistens auf Serbisch, aber es finden sich auch Lieder in hebräischer (“Mazel tov“) und spanischer Sprache (“Balkañeros“) im Repertoire des Komponisten aus Sarajevo. Bregovićs Musik speist sich aus dem Rhythmen und dem Liedgut der slawischen Länder: Polka, Klezmer, Volkstänze der Sinti und Roma.
Als „Balkan Jazz“ wird sein Sound prägnant bezeichnet. Es ist Musik, wie sie auf Dorffesten erklingt, fröhlich, ausgelassen und ohne großen technischen Aufwand zu spielen. Ein paar Instrumente und eine Pauke reichen aus, mitsingen kann jeder, denn die Texte sind eingängig. Auch im Stadtpark animiert Bregović das Auditorium zum Mitsingen. Das lässt sich nicht lange bitten und unterstützt ihn lautstark.
Stadtparkkonzerte: Goran Bregović fragt nach Deutschen im Publikum
„Sind auch Deutsche hier?“, fragt er angesichts der Textsicherheit des Publikums. Viele seiner Fans haben ihre Wurzeln in den Republiken des ehemaligen Jugoslawien und sind mit Bregovićs Stücken bestens vertraut. Nach Beerdigung klingen nur wenige Nummern aus dem riesigen Werk des Bandleaders, die ausgelassenen Songs passen eher zu Hochzeitsfesten, bei denen Bier und Schnaps in Strömen fließen und es über Tisch und Bänke geht.
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Unaufhörlich pumpen die Tubas den Rhythmus voran, Trompeten und Saxofon setzen mit kurzen Soli prägnante Momente. Mittendrin sitzt Bregović wie gewohnt im weißen Anzug und mit etwas verstrubbelter Frisur. Der Gitarrist, inzwischen 73 Jahre alt, macht sich nicht zum Zentrum des Orchesters, er ist nur ein Teil dieser fröhlichen Band, die nichts als pure Lebensfreude verkörpert.
Goran Bregović’ Band sind alles Autodidakten
Viele der Instrumentalisten, die in den Balkanländern volkstümliche Musik spielen, sind Autodidakten und können keine Noten lesen. Bregović dagegen ist ein Intellektueller, der am Konservatorium studiert hat und der später in seiner langen Karriere viele Film-Soundtracks komponiert hat.
Vor einigen Wochen hat er unter dem Titel „The Belly Button Of The World“ ein neues Album herausgebracht, auf dem sich drei Stücke befinden, die er für Soloviolinen, Symphonieorchester, Männerchor und sein Wedding and Funeral Orchestra geschrieben hat. Daraus hat er leider beim aktuellen Konzert nichts im Repertoire, zu komplex sind die Kompositionen für sein kleines Stadtpark-Ensemble.
Stadtparkkonzert: Ein kollektives Ausrasten
Rhythmuswechsel sind typisch für Bregovićs Stücke und ab und zu nehmen die Musiker den Fuß vom Gaspedal. Aber das sind nur ein paar Momente, in denen der Sound etwas melancholischer wird. Der Abend läuft so, wie auch einer der Songs heißt: „Gas, Gas, Gas“.
Nach gut eineinhalb Stunden verlassen die Musiker und Sängerinnen die Bühne, um flugs für einen ausführlichen Zugabenteil zurückzukehren. Die Stimmung beim Publikum bewegt sich in Richtung kollektives Ausrasten, ein Dutzend Frauen tanzt zu „Hopa Cupa“ in einem Ringkreis, andere feuert die Band mit geballter Faust weiter an. Im Stadtpark ist Party.
Die endet bei Bregovićs Konzerten eigentlicher immer mit „Kalasnjikov“, einen Song, den er 1995 für Emir Kusturicas Film „Underground“ geschrieben hat. Doch vor dem großen Finale spielt er seine Version der antifaschistischen Hymne „Bella ciao“ in sich überschlagenden Tempo. Mit einem Trompetensignal endet der Auftritt nach ziemlich genau zwei Stunden. Bregovićs Fans sind erschöpft und glücklich. Mehr kann man von einem Konzert nicht erwarten