Hamburg. Schräger Titel, famoses Stück in der Opera Stabile: „Die Kuh – doch halt, nein, nein!“ Und die Erkenntnis: Telemann passt immer.
Bei dem etwas verwirrenden Titel der letzten Premiere dieser Spielzeit in der Opera Stabile am Sonnabend hätte man ja durchaus einen komischen Stoff erwarten können: „Die Kuh – doch halt, nein, nein!“ Das Pasticcio mit bunt zusammengemischten Ausschnitten aus Oratorien, Opern und Instrumentalmusik von Georg Philipp Telemann, das sich der Regisseur Vladislav Parapanov zusammen mit seinem siebenköpfigen Sängerensemble und dem musikalischen Leiter Johannes Gontarski da ausgedacht hatte, war aber weder komisch noch tragisch. Im Grunde genommen erzählte es fast gar nichts und überließ am Ende dem Publikum, sich selbst einen Reim auf die szenische Umsetzung zu machen.
Opera Stabile: Mit Telemann-Musik könnte man jedes Sujet musikalisch begleiten
Die Zeile mit der Kuh entstammt übrigens einer Arie des großen Hamburger Musikdirektors, der um die 3600 Werke verfasst hat, von denen aber ein großer Teil leider verschollen ist. Telemanns Musik ist jedoch so vielseitig und universell, so dramatisch und lebendig, dass man mit Ausschnitten aus seinem gigantischen Schaffen fast jedes Sujet musikalisch begleiten könnte.
Bei der Produktion des Internationalen Opernstudios der Staatsoper Hamburg entschied man sich, ausgewählte Figuren aus Telemanns Opern wie Narcissus aus Telemanns dreiaktiger Oper 21:5, Orpheus aus einer 1726 für die Oper am Gänsemarkt entstandene gleichnamige Oper TW 21:18 sowie Bacchus, aber auch Don Quichotte und Sancho Pansa auf einem gespenstisch kargen Eiland aufeinandertreffen zu lassen. Kostümiert in Bademänteln oder Jogginganzügen, Strandshorts und Sonnenbrille oder behängt mit Bommeln wie eine Alpenkuh, die auf die Alm getrieben wird, ließen sich die Identitäten der einzelnen Figuren dann aber nur noch schemenhaft zuordnen.
Opera Stabile: Der Kinderdarsteller Marlon Rick-Parschonke war fantastisch
Der Ort ihrer Begegnung war ein erhöhtes Podest mit giftgelbem Sand, der an Schwefel erinnerte und aus dem immer mal wieder Trockennebelschwaden emporstiegen. Nachdem dann auch noch der fantastische Kinderdarsteller Marlon Rick-Parschonke den mit sich selbst unentwegt hadernden und kämpfenden Darstellern ein Bonsai-Bäumchen auf den Sandboden stellte, wusste man nicht recht, ob all das die Zerstörung der Welt andeuten sollte. Wohl aber spürte man, dass diese Figuren auf geheimnisvolle Weise nicht zueinanderfinden konnten.
Sie spielten und sangen nebeneinander her. Das aber tat jeder Einzelne hervorragend. An erster Stelle sei die famose Sopranistin Yeonjoo Katharina Jang unter anderem mit der Arie „Ich hab dich verloren, meine Sonne“ genannt oder der Tenor Florian Panzieri mit „Ich bin verwundt’ und muss in Tränen bluten“ mit den von Telemann so wundervoll eingesetzten dissonanten Vorhalten.
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Fabelhaft waren auch in Johannes Gontarskis Instrumentalensemble Christian Heims Blockflötensoli zum Beispiel aus den Telemann-Fantasien TWV 55:a2. In der Rolle der „Kuh“, die als aufreizende alles andere als animalische Verführerin die Herren auf dem gelben Sand ganz schön in Fahrt brachte, hielt die Mezzosopranistin Claire Gascoin die brüchigen Fäden der Handlung bravourös zusammen.