Hamburg. Pianist Eric Lu mit einem Schubert-Programm in der Elbphilharmonie. Es war ein Konzert, das das Publikum verzauberte.

Schubert, sagt der 25 Jahre alte Pianist Eric Lu, sei für ihn der ultimative Künstler. Auch, weil dieser wusste, dass er an seiner Syphilis-Erkrankung sterben würde, dass Hoffnungen und Träume Utopie bleiben würden. Aber trotzdem komponierte er in seinen letzten Lebensjahren ein Meisterwerk nach dem anderen. Eines, die Klaviersonate A-Dur D 959 von 1828, spielte Eric Lu bei seinem Elbphilharmonie-Recital, zwei weitere Sonaten zeigten Schuberts Weg zu diesem Meisterwerk, seine allererste Sonate E-Dur D 157 von 1815 und ein mittleres Werk, die Fragment gebliebene „Reliquie“ Sonate C-Dur D 840 von 1825.

Elbphilharmonie: überraschendes Forte, dunkle Harmonie

Schubert war 18 Jahre, als er seinen Klaviersonaten-Erstling komponierte. Eric Lu holte die jugendliche Frische heraus, profilierte dezidiert das munter nach oben schießende Fanfarenmotiv und servierte die herabstürzenden Tonkaskaden mit pianistischer Brillanz. Damals wusste Schubert noch nichts von seiner späteren tödlichen Krankheit. Und doch gibt es schon hier Momente, in denen die heitere Welt plötzlich zusammenbricht.

Ein überraschendes Forte, eine ungewöhnlich dunkle Harmonie: Der Blick in einen Abgrund. Diese „Inferno-Situationen“ tauchen in der mittleren, experimentellen C-Dur Sonate schon gehäufter auf, und die späte A-Dur-Sonate ist gewiss eher melancholisch als heiter. Hoffnungsloser und verlorener als deren zweiter Satz kann Musik kaum sein.

Elbphilharmonie: Lu sucht nach der optimalen Balance der Dynamik

Eric Lu ist ein Pianist, der der Wahrheit so nahe wie möglich kommen möchte. Er beschönigt nichts. Er trumpft nicht auf. Er braucht kein brillantes Forte, kein wildes Tempo. Er sucht nach der optimalen Balance der Dynamik und beleuchtet, wie die Töne miteinander verbunden sind. Atemberaubend wie er im Andante der frühen E-Dur-Sonate eine gesanglich schlichte Melodie mit trockenen Akkorden begleitete.

Dabei hatte Lu eine innere Ruhe, mit der er Momente des Stillstands riskieren konnte. Er erlaubte sich an vielen Stellen, besonders in den beiden späten Sonaten, eine extreme Agogik, Temposchwankungen. Da schien die Musik kurz vor dem Verlöschen, aber Eric Lu hatte die Spannungsfäden immer in der Hand. Schlicht faszinierend. Kein Wunder, dass der Amerikaner mit chinesischen Wurzeln derzeit als einer der ausdrucksstärksten jüngeren Künstler gehandelt wird.

Einen nachdenklichen jungen Pianisten hörte man da in der Elbphilharmonie, ein ehrliches, ein berührendes Spiel. Eric Lu führte durch die Ideenwelt Schuberts und verzauberte. Großartig! Auch die Zugabe, Schuberts Ges-Dur-Impromptu.