Hamburg. Die Lecture Performance beschreibt den digitalen Widerstand gegen Russland. Am Eingang wird vor „verstörenden Bildern“ gewarnt.
So stellt man sich digitalen Widerstand vor: Auf unzähligen Monitoren flimmern Datenreihen, der Schreibtisch biegt sich unter Büchern, Teekannen, Obsttellern, ein einsamer Mensch ist im Schummerlicht über die Tastatur gebeugt, und aus den Boxen wummert pathetischer Techno. „Welcome to Ukraine!“ Dann aber wendet sich die Aktivistin ans Publikum, und man erkennt, dass sie spitz zulaufende Ohren trägt. Ein Fabelwesen.
Thalia in der Gaußstraße: Hackerangriffe, Fake News, Propaganda
Im Rahmen der Lessingtage lädt die polnische Regisseurin Magda Szpecht zu ihrer Lecture Performance „Cyber Elf“ in die Garage der Gaußstraße. Die 32-Jährige beschreibt, wie sie sich nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine vor einem Jahr entschieden habe, das Theater hinter sich zu lassen und sich einer Gruppe digitaler Aktivisten anzuschließen, die die digitale Kriegsführung Russlands öffentlich machen wollten: Hackerangriffe, Fake News, Propaganda.
Weil digitaler Widerstand aber instagrammable sein sollte, habe sie sich in ihren eigenen Avatar verwandelt, in eine Elfin, die in den Weiten des Netzes einen Kampf um Sympathiepunkte kämpft (und zumindest optisch macht sie da natürlich einen Punkt).
Weil sie sich aber als Regisseurin auch mit der Trickkiste des Theaters auskennt, dekonstruiert sie die eigene Elfenhaftigkeit gleich wieder: „Ich habe mir hier diese billigen, in China hergestellten Plastikohren besorgt.“ Entwaffnend ehrlich ist sie auch noch.
Theater, das unversehens in blutigen Ernst kippen kann
Spannend an „Cyber Elf“ ist, wie nahe der gezeigte Widerstand dem Theater doch ist. Wenn Szpecht russische Desinformationskampagnen seziert, dann beschreibt sie im Grunde Theater, inclusive Ausstattung und Performance. Allerdings ein Theater, das unversehens in blutigen Ernst kippen kann: Nicht von ungefähr wird am Eingang vor „verstörenden Bildern“ gewarnt, der nächste Filmschnipsel aus den Kellern von Mariupol ist im Netz nur ein paar Klicks entfernt.
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Weil Szpecht aber weiß, wieviel sie ihrem Publikum zumuten kann, gibt sie sich am Ende versöhnlich und privat, indem sie Bilder ihres spielenden Hundes zeigt. Süß. Nur der Hip-Hop-Soundtrack irritiert: „Fuck Russia and the CCP, they already fucked with me.“ Krieg, Propaganda, Niedlichkeit, das verschwimmt alles, und Aktivistinnen wie die digitale Elfin versuchen, den Überblick zu behalten.
Cyber Elf noch einmal am 2. Februar, 20.30 Uhr, Thalia in der Gaußstraße (Garage), Gaußstraße 190, thalia-theater.de