Minutenlanger Jubel für Hans-Christoph Rademann und der Gaechinger Cantorey. Auftritt der Sopranistin ist besonders emotional.
- Hans-Christoph Rademann und Gaechinger Cantorey begeistern in der Elbphilharmonie
- Johannes-Passion von Bach in der Elbphilharmonie setzt Maßstäbe
- Soprangruppe ist das Prunkstück des Chores
Hamburg. Die Passionszeit beginnt eigentlich erst Aschermittwoch. Eine Aufführung von Bachs Johannes-Passion kommt also strenggenommen noch ein paar Wochen zu früh. Aber daraus abzuleiten, dass Hans-Christoph Rademann den religiösen Gehalt des Werks nicht ernst nähme, wäre ein Fehlschluss. Das Gegenteil ist der Fall.
Rademann hat die von Johann Sebastian Bach aufwühlend vertonte Leidensgeschichte Jesu so verinnerlicht wie nur wenige Dirigenten. Wie tief er die nicht nur für gläubige Christen zugängliche Botschaft und die musikalischen Strukturen des Werks durchdringt, war im Großen Saal der Elbphilharmonie zu erleben. Beim Konzert mit der Gaechinger Cantorey und fünf Solistinnen und Solisten, das am Ende minutenlang bejubelt wurde. Es gab ja auch einiges zu feiern.
Johannes-Passion in der Elbphilharmonie: Rademann formt dichten Spannungsbogen
Den Blick fürs große Ganze, zum Beispiel. Die Balance zwischen Vokal- und Instrumentalstimmen der Gaechinger Cantorey ist fein austariert, das Klangbild transparent. Und, nicht zu vergessen: Rademann formt einen dichten Spannungsbogen über das gesamte Oratorium. Der Wechsel von erzählenden Passagen, dramatischer Handlung und reflektierenden Momenten ist perfekt getimt. Gerade in den eng getakteten Massenszenen, die Bach beinahe opernhaft vertont. Da geht es Schlag auf Schlag.
Dieser Sinn für Zusammenhänge und den genialen Bauplan des Werks ist das eine. Das Gespür für Details das andere. Ob die Oboen im Eingangschor mit ihren Schmerzensvorhalten heraustreten, ob Cello und Kontrabass die Erde erbeben lassen, als Jesus gestorben ist: Das Orchester der Gaechinger Cantorey – hier, in der vierten Fassung der Johannes-Passion, mit einem satten Bassfundament ausgestattet – setzt Akzente, immer im Dienst des Ausdrucks. Und der wird von den Vokalstimmen vorgegeben.
Soprangruppe ist das Prunkstück des Chores
Die Soprangruppe ist an diesem Abend das Prunkstück des Chores, mit dem Rademann packende Kontraste inszeniert. Als der Mob Jesus verleumdet („Wäre dieser nicht ein Übeltäter“), mischen die 24 Sängerinnen und Sänger Gift in den Klang. Als sie dagegen, wenig später, die Rolle der Gemeinde einnehmen und das Verhör des Pilatus mit einem Choral unterbrechen („Ach großer König“), demonstrieren sie ihre Piano-Kultur.
Rademann nimmt sich Zeit, um die zweite Strophe abzusetzen, blendet die Instrumente aus und begleitet den Chor nur noch mit einem Rest-Continuo. Einer von vielen berückenden Momenten. Ebenso wie das Weinen des Petrus, das der Tenor Patrick Grahl empathisch ausmalt.
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Johannes-Passion in der Elbphilharmonie: Sopranistin sorgt für emotionalen Höhepunkt
Patrick Grahl, für die Arien eingeplant, übernimmt für einen erkrankten Kollegen zusätzlich die Evangelisten-Partie. Und wie er das tut, wie er Textverständlichkeit, natürlichen Sprachfluss und edlen Klang vereint, das ist schon wirklich Weltklasse.
Stark auch Matthias Winckhler als ebenso anrührender wie entschiedener Jesus, Tobias Berndt mit sensiblem Bariton und die Sopranistin Miriam Feuersinger mit unfassbar filigranem Gesang. Ihre „Zerfließe“-Arie ist wirklich zum Zerfließen schön. Der emotionale Höhepunkt eines Abends, der Maßstäbe setzt.