Hamburg. Komponist Matthias Pintscher war anwesend, als das Boulanger Trio Werke von ihm spielte. Ein anspruchsvoller Abend.

Die Kammermusikreihe „Boulangerie“ des Boulanger Trios am Dienstag im Kleinen Saal der Elbphilharmonie bot eine seltene Gelegenheit, tiefe Einblicke in die Werkstatt eines der bedeutendsten Komponisten unserer Zeit zu erhalten.

Der heute als Professor an der New Yorker Julliard School of Music lehrende und in aller Welt gespielte Avantgardist Matthias Pintscher war nämlich persönlich anwesend und gestand den drei Musikerinnen Karla Haltenwanger, Birgit Erz und Ilona Kindt bei einem Podiumsgespräch: „Ich komponiere nur am Schreibtisch und notiere seit Jahren alles auf Papier. Es ist eine komponierte Linie und das Empfinden von Zeit durch das Skizzieren auf Papier halte ich für wichtig.“

Elbphilharmonie: Boulanger Trio spielt Stück voller Kontraste

Es störte den Dirigenten und Musikdirektor des weltberühmten Ensemble Intercontemporain dann aber auch nicht, dass Birgit Erz zu Beginn sein Werk „la linea evocativa. un disegno per violino solo“ mit Hilfe eines iPads auf dem Notenpult spielte, weil die Fülle von graphischen Zeichen auf Papier beim praktischen Musizieren gar zu viel Mühe beim Umblättern erfordert hätte.

Es ist ein Stück voller Kontraste, in dem Ansätze zu melodischen Floskeln vollkommen übergangslos von aggressiven Gesten unterbrochen werden, bei denen die Geigerin auch noch hart mit den Absätzen aufs Parkett des Podiums auftrat und wegen der gewaltigen Beanspruchung ihres Bogens zwischendurch ein paar lose Bogenhaare entfernen musste, um ungestört weiterspielen zu können.

Auf Wunsch Pinschers spielte das Boulanger Trio, das sich nach der großen Integrationsfigur der Nachkiegsmoderne Nadia Boulanger benannt hat, danach erst einmal Robert Schumanns Klaviertrio Nr. 1 op. 63, das in seinem leidenschaftlichen Drang nach Bewegung, dem Kontrast zwischen üppigem Klangvolumen in den Streichern und zartester Verschlankung der Dynamik aber viel mit Pintschers zeitgenössischer Klangsprache gemein hat.

Bewunderung für das Boulanger Trio

Im Gespräch lobte Pintscher das Vibrato, das sich im Spiel des Trios so ganz aus einer Linie ergebe und sagte zudem: „Kammermusik zu schreiben, ist für mich wie eine Art reinigende Palette. Auch um zu erfahren, wo ich als Komponist selber stehe.“ Nach seinem rätselhaft zwischen scheinbarer Verzweiflung und tiefer Versunkenheit schwankenden Zyklus „Profiles of Light“ für Cello und Klavier bildete sein Klaviertrio „svelto“ den Abschluss.

Und man bewunderte dabei nicht nur die bis in höchste Tonhöhen versprengten Klangelemente, sondern auch die Cellistin, die ihre vom Pult gerutschten Noten vom Boden auflas und trotz der Komplexität der Notation sofort die Stelle wiederfand, an der sie fortsetzen musste.