Hamburg. So richtig zusammenpassen wollten Britten-Gedenken und Bruckners Achte nicht. Aber die Irritation war schnell verflogen.
Als Auftakt für den zweiten Abend seines dreitägigen Gastspiels in der Elbphilharmonie am Freitag hatten der estnische Dirigent Paavo Järvi und sein Tonhalle-Orchester Zürich den knapp zehnminütigen "Cantus in memoriam Benjamin Britten" von Arvo Pärt aufs Programm gesetzt. Gegenüber der gewaltigen und anderthalb Stunden Spielzeit beanspruchenden 8. Sinfonie c-Moll von Anton Bruckner wirkte das Stück allerdings ziemlich verloren und passte eigentlich auch nicht recht zu dem, was unmittelbar darauf folgen sollte.
Elbphilharmonie: Überrumpelt vom pausen-losen Übergang
Der Landsmann Järvis hatte im Gedenken an den verstorbenen britischen Komponisten Britten eine Meditation für Streichorchester und Glocke geschrieben, die um einen zentralen Ton „a“ kreist und langsam lauter werdend eine Klagegeste variierend, aber beharrlich wiederholt. Die von einem Schlagzeuger angeschlagenen Glockenklänge verhallten lange im Raum und natürlich konnte man nach einem so kurzen Stück nicht gleich schon wieder eine Pause machen und ging unmittelbar zum Hauptwerk des Abends über.
Wer damit nicht gerechnet hatte, musste sich auf eine lange Sitzung einstellen und manch einer verließ dann zwischendurch auch mal kurz den Saal. In einer oberen Ebene war sogar eine Mutter mit einem kleinen Kind zu Gast, das ganz ruhig geblieben war, bei Bruckners zauberhafter Musik aber sanft eingeschlummert ist und am Ende auf der Schulter der Mama und erfüllt von Eindrücken, die es sein Leben lang wohl nicht vergessen wird, nach Hause getragen wurde.
Järvi bringt die zweite Fassung von Bruckners Achter zu Gehör
Järvi hatte sich für die zweite Fassung von Bruckners Achter entschieden, in der gleich drei Harfen besetzt sind und die mit vollem Blech, darunter acht Hörnern und vier umwerfenden Wagnertuben, einen wahren Klangrausch erzeugte. Einzigartig, wie der Solo-Oboist Simon Fuchs, der schon in der 6. Sinfonie am Vorabend so brillant blies, in den Holzbläsersoli bezauberte. Manche Figuren liefen durch alle Register der Holzbläser und waren klanglich so angepasst, dass man die Übergänge von der Oboe zur Klarinette und zurück zur Flöte kaum wahrnahm.
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Übrigens fiel auf, dass die gesamte Bläsergruppe, Blech- und Holzbläser, bei den Zürichern nur aus Männern besteht und die einzigen Damen darunter die drei hervorragenden Flötistinnen waren. Das Schwanken zwischen Kraftentladung, unmittelbarer Entspannung und dann wieder diesen gefälligen lyrischen Partien war umwerfend. Wie Järvi diese Übergänge gestaltete und straffte, ist eine große Kunst.
Alles muss bei Bruckner vorbereitet werden, um noch berückender zu wirken: das einsame Flötensolo nach einem Tuttiausbruch im Fortissimo oder aber die Einsätze der Wagnertuben im Adagio, die einem regelmäßig Schauer über den Rücken laufen lassen, so himmlisch schon sind sie.
Elbphilharmonie: Der ganz große Auftritt für den Solo-Pauker
In diesem Satz konnte der sonst so stark beanspruchte Solo-Pauker Benjamin Forster einmal aufatmen und saß gegen Schluss des Satzes mit verschränkten Armen vor seinen Instrumenten, um sich für seinen großen Auftritt im Finale vorzubereiten. Unglaublich waren die Paukenwirbel und die drei harten Schläge in den dramatischen Anfangstakten. Und wie Forster sich am Ende aufrichtete, um sich bei den wahrhaft erregenden Schlusstakten dieser Sinfonie gegen das volle Orchester zu behaupten, war einfach nur begeisternd.