Hamburg. „This Is My Time“ in der Laeiszhalle war eine sehr unterhaltsame, autobiografische Revue des Hamburger Entertainers.
„Wie konnte aus einem einfachen, bescheidenen jungen Herren aus Soest ein internationaler Popstar und weltweit gefeiertes Sexsymbol … ääh deutschlandweit gefeiertes … vor 25 Jahren deutschlandweit gefeiertes Sexsymbol werden?“, fragt Sasha am Mittwoch in der fast ausverkauften Laeiszhalle und beantwortet die Frage selbst. Sehr lang und sehr ausführlich, aber keine Minute zu kurz.
„This Is My Time – Die Show“, heißt die an gleich zwei Abenden aufgeführte Revue, bei der der längst in Hamburg lebende Sänger und Entertainer das ganze Regal mit Zutaten für einen bunten Abend ausräumte: Neun Musiker, Sängerinnen und Sänger flankieren ihn, zwei Tänzerinnen und zwei Tänzer. Und, natürlich: Eine Showtreppe. Diese und die Künstler, die seinerzeit in der ZDF-„Hitparade“ und ähnlichen Sendungen in den 1970er- und 80er-Jahren dort herunter stiefelten oder darauf saßen, um wie Howard Carpendale „Nachts wenn alles schläft“ zu säuseln, versüßten Sasha in seiner Kindheit die langen Abende bei der Oma.
Mittig in der Eiche-Brutal-Schrankwand mit dem Schnäpse-Brutal-Fach und den dänischen Keks-Blechdosen voller aufgeweichter Salzstangen stand der Fernseher. Und bei den Eltern im Sozialbau die Plattensammlung mit einem breiten Angebot von Elvis über Reinhard Mey bis zu Julio Iglesias. Dort wurde das vor 25 Jahren deutschlandweit gefeierte Sexsymbol geprägt.
„Westerland“ im Julio-Iglesias-Stil ist herrlich absurd
Sasha erzählt viel aus seiner Kindheit und Jugend an diesem Abend, denn es ist kein Konzert, keine Show, kein Musical, sondern eher eine musikalische Autobiografie. Die erschien bereits 2021 in Buchform als „If You Believe. Die Autobiografie“, und ist unterhaltsam und schnell zu lesen. Aber live auf der Bühne macht es sowohl Sasha als auch seinen Fans spürbar noch mehr Spaß. „Ahhh“ und „oooh“ raunt es durch den Saal, wenn Sasha in der Pop-Nostalgie-Kiste wühlt mit „The Power Of Love“ von Huey Lewis And The News, Falcos „Der Kommissar“ oder einer herrlich absurden „Westerland“-Version im Julio-Iglesias-Timbre.
Die Frage, wie er zur Musik gekommen sei, beantwortet Sasha seit jeher: „Mit dem Fahrrad“. Damit ging es seinerzeit zu einer Silvesterparty, alles war gut geladen nach einigen Drinks und sang, und Sasha sang noch weiter, als die Musik abbrach. „Jemand kam auf mich zu und sagte: Hey! Du kannst aber … laut singen.“ Und das reichte 1990 für den Einstieg in seiner ersten Band Bad To The Bone, eine Rock-Truppe schlecht bis auf die Knochen, aber gut genug für Kneipengigs in Soest und Umland.
Zwei Jahre später gründete er die Band Junkfood und sang dem Zeitgeist entsprechend Grunge und Alternative Rock. Das Publikum ist sich nicht sicher, was skurriler ist: Sashas Foto aus dieser Zeit auf der Leinwand, ein 90er-Traum aus langen Haaren, XL-Shirt, Shorts und BVB-Socken oder seine Interpretation von Pearl Jams Klassiker „Alive“ auf der Showtreppe.
Sashas Pop-Karriere startete etwas unsexy als Anstreicher
Die Demobänder von Junkfood landeten bei den Plattenfirmen zwar im Abfall, aber Pop-Produzent Michael Kersting hatte irgendwie Gefallen an Sasha gefunden. Er durfte sein Studio neu streichen und war gerade im Blaumann am Malern, als eine Begleitstimme für Rapperin Young Deenay gebraucht wurde. Die Initialzündung. „Aus Young Deenay featuring Sasha wurde Sasha featuring Young Deenay und der Rest ist Geschichte.“ Nach dem Hit „If You Believe“ wurde Sasha 1998 Dauergast auf den Titelseiten von „Bravo“ und „Popcorn“.
Und das war erst die Hälfte der mit Pause mehr als drei Stunden langen, zusammen mit Thomas Hermanns entwickelten Quatsch Comedy Pop Revue. Die Abstände zwischen den Momenten, in denen die Fans aufstehen und sich wieder hinsetzen, werden kürzer und kürzer im Laufe des Abends. Zugegeben sind einige Längen auszumachen, aber ein 50 Jahre altes, vor 25 Jahren deutschlandweit gefeiertes Sexsymbol hat eben eine Menge zu erzählen.
Von dem wahnsinnigen Rummel und dem Herumgehetze zwischen Thailand und Nordamerika, von Robbie Williams, der Sasha, obwohl selbst neben Will Smith und George Michael bei den MTV European Music Awards nominiert, anfeuerte (es gewann Will Smith). Und vom Burnout, der am Ende der Rechnung stand: „Damals nannte man das noch Erschöpfung“.
Sashas Alter Ego Dick Brave war sein größter Erfolg
„Das was ich damals gemacht habe, war nicht kacke. Aber das war nicht ich.“ Sasha zog sich aus der Glitzerwelt zurück und entdeckte bei einem Besuch in Memphis einen anderen wieder: Elvis. Wenig später landete ein Rock’n’Roll-Sänger namens Dick Brave, der Sasha auffallend ähnlich sah, mit dem Album „Surfin’ On A Backbeat“ 2001 in den deutschen Top Ten und 2003 mit „Dick This!“ sogar an der Spitze. Es ist die vielleicht größte Ironie in Sashas langer Karriere, dass ausgerechnet dieses als Spaßprojekt gestartete Alter Ego seine einzige Nummer-eins werden sollte.
- Kreativer Ungehorsam als Herzensangelegenheit
- „Die Wunde scheint mir noch frisch zu sein“
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Mit den Jahren wird Sasha versöhnlicher mit seinen Teenie-Hits, mit sich und mit dem Leben. Vor allem nachdem er nach Hamburg gezogen ist, für ihn ein wichtiger „seelischer Befreiungsschlag“: Die Reeperbahn war sein Leben, er war sicher, dort seine Liebe zu finden (eine Frau lacht an dieser Stelle keckernd alleine im Saal). Aber er hat sie tatsächlich hier gefunden – in seiner jetzigen Frau Julia und ihrem gemeinsamen Sohn Otto.
Er singt „Du fängst mich ein“ von seinem ersten deutschsprachigen Album „Schlüsselkind“ (2018) und feiert eine letzte Las-Vegas-Sause mit „This Is My Time“ und „If You Believe“. Als ein in der ganzen Laeiszhalle gefeiertes Sexsymbol.