Hamburg. Die Star-Geigerin spielte mit Ye-Eun Choi, Vladimir Babeshko und Daniel Müller-Schott in der Elbphilharmonie. Nicht alles gelang.

Nachdem der erste Satz von Beethovens Opus 18 Nr. 2 zart verklungen ist, spricht ein Zuhörer in das weite Rund der Elbphilharmonie: „Wunderschön.“ Zustimmendes Gelächter im Saal, dann Applaus; Anne-Sophie Mutter wendet den Kopf und erwidert etwas, gutgelaunt und lässig.

In diesem Moment sind die Stargeigerin und ihre drei Quartett-Kollegen bei sich angekommen. Beim Genre Streichquartett. Das war in der ersten Konzerthälfte nicht unbedingt zu erwarten. Bei Mozarts KV 157 C-Dur, mit dem der Abend beginnt, ist von einem Ensemble wenig zu hören. Wenn zu Beginn die beiden Geigen in Terzen spielen, hört man die untere Stimme kaum. So unterschiedlich artikulieren die vier, dass beim Hören immer wieder der Eindruck entsteht, es würde klappern. Ein einheitlicher Charakter kann so nicht entstehen.

Anne-Sophie Mutter: rasante Solistin in der Elbphilharmonie

Natürlich bringt Anne-Sophie Mutter ihre über Jahrzehnte eingeübten Solistenqualitäten mit in die Kammermusik: ihre rasanten bis unverständlich schnellen Tempi, ihr ebenso rasantes Vibrato und ihre Art, jedes Forte derart dramatisch anzulegen, dass sich der Hörer erstaunt fragt, was hier wohl gemeint sein könnte. Schließlich ist in der Klassik ein Forte zunächst einmal der gesunde, übliche Konversationston; über den emotionalen Gehalt einer Stelle entscheiden aber auch noch andere Parameter.

Auf all diese Gestaltungsmittel könnte man sich einigen — und sollte man auch, wenn man einen homogenen Klangkörper bilden will und nicht nur eine zufällige Ansammlung qualifizierter Instrumentalisten.

Vier Instrumentalisten, vier ganz unterschiedliche Stile

Tatsächlich aber spielen die vier denkbar unterschiedlich. Mutters junge Kollegin Ye-Eun Choi an der zweiten Geige vollbringt Wunder an rhythmischer Anpassungsfähigkeit, doch setzt sie manche Töne so weich an, dass diese Gefahr laufen, zu spät im Raum zu klingen. Von dem Bratscher Vladimir Babeshko ist den Abend über so gut wie nichts zu hören.

Daniel Müller-Schott am Cello wiederum – seinerseits ein international etablierter Solist – ist die Basis und Stütze des Ensembles, ein hörbar begeisterter und gewiefter Kammermusiker, der in alle Richtungen kommuniziert und sich von den virtuosen Fallstricken seiner Stimme den Schneid natürlich nicht im mindesten abkaufen lässt.

Anne-Sophie Mutter: Bei Beethoven kommen die vier zusammen

Nach dem ersten Schrecken über das frühe Mozart-Quartett ist Haydns op. 20 Nr. 1 Es-Dur wohltuend anders: Dem Stück geben sie mehr Gestalt und Struktur. Es passt zu diesem Repertoire, dass Mutter eine solistisch agierende Primaria ist. Gerade der langsame Satz ist als kleines Violinkonzert angelegt, bei dem die übrigen drei Stimmen lediglich Begleitfunktion haben. Und bei Mozarts ebenfalls frühem Streichquartett Nr. 2 D-Dur KV 155/134a landet Mutter zwar in der Höhe mal daneben und klappert der Auftakt zum Finalsatz, aber im langsamen Satz differenzieren sie Tongebung und Klangfarben mehr aus und lassen eine dichte Atmosphäre entstehen.

Erstaunlicherweise überzeugt dann ausgerechnet das Beethoven-Quartett, bei dem die Rollen deutlich gleichberechtigter verteilt sind, am meisten. Dass von der Bratsche nach wie vor kaum Impulse kommen, machen die drei anderen hochprofessionell wett. Die zweite Geigerin Ye-Eun Choi gewinnt immer mehr an musikalischer Statur, ihre Soli gestaltet sie plastisch. Müller-Schott ist ein wunderbarer Kontrapunkt in der Tiefe und übernimmt immer wieder entschlossen die Führung. Das ist lebendiges Ensemblespiel. Geht doch.