Hamburg . International Mendelssohn Festival widmet Fanny und Felix Mendelssohn Bartholdy einen Abend im Kleinen Saal der Elbphilharmonie. Die Kritik.

Wenn es sie nicht gäbe, man müsste sie erfinden, die märchenhafte Geschichte von den hochbegabten Geschwistern Mendelssohn, die sich rückblickend so gar nicht anders als von ihrem viel zu frühen Ende her denken lässt. Fanny und Felix Mendelssohn Bartholdy, aufgewachsen in begüterten, hochkultivierten Verhältnissen im Berlin des 19. Jahrhunderts, waren einander lebenslang in geradezu unerklärlicher Exklusivität verbunden.

Das International Mendelssohn Festival hat den beiden einen Abend im Kleinen Saal der Elbphilharmonie gewidmet. Die Protagonisten kommen ausführlich zu Wort, schließlich sind bändeweise Briefe aus ihrer Feder überliefert. Eingerahmt, kommentiert, illustriert wird die Lesung von dem Cellisten Jens-Peter Maintz und der Pianistin Annika Treutler mit Originalwerken und Liedtranskriptionen.

Elbphilharmonie: Intimer Tonfall beim International Mendelssohn Festival

Ob instrumentaler Gesang oder sangliche Melodie, Maintz und Treutler finden einen intimen Tonfall, der die Seelenverwandtschaft der komponierenden Geschwister hörbar macht. Anmut und Elegie, Sangbarkeit und beiläufige Virtuosität kennzeichnen die Musik beider Geschwister; wo sie in die Tiefe lotet, tut sie das in aller Diskretion. Die Künstler phrasieren organisch, genau im Detail und unangestrengt natürlich im Zusammenspiel.

Felix Mendelssohn-Bartholdy als dirigierendes Kind – ein Holzstich nach Zeichnung von Woldemar Friedrich.
Felix Mendelssohn-Bartholdy als dirigierendes Kind – ein Holzstich nach Zeichnung von Woldemar Friedrich. © Picture Alliance

„Bester Felix, Felice, lieber Bursche, mein Dummerchen, alter Junge, Clown, Hamletchen, mein Generalstab, Du großer Zensor, geliebter Schatz“ — das ist nur eine Auswahl aus Fannys brieflichen Anreden. Sie verraten Witz und stupende Bildung und spiegeln die Intensität der Beziehung wider. Auch Felix hatte eine Reihe origineller, bisweilen ähnlich inniger Anreden im Repertoire. Und doch ist das Gefälle zwischen den beiden zunehmend spürbar.

Weitere Kritiken aus der Elbphilharmonie:

Der eine Hochbegabte zieht in die Welt hinaus, trifft Goethe, wird in ganz Europa gefeiert, während die andere Hochbegabte sich ihre Rolle als Tochter, Frau und Mutter fügt und ihren Wirkungskreis auf die zwar hochkarätigen, aber privaten Sonntagsmusiken im Hause Mendelssohn beschränkt. Was ihr Bruder übrigens nicht nur richtig findet, sondern vehement einfordert.

Elbphilharmonie: Fanny und Felix Mendelssohn Bartholdy

Barbara Auer holt Fanny mit modulationsreicher Stimme und sublimer Satzgestaltung gleichsam dreidimensional auf die Bühne. Gegen die Dichte ihrer Darbietung bleibt Christian Maintz, der Felix‘ Part liest, stimmlich blass. Maintz trägt auch den Rahmentext vor, den er verfasst hat, einen klugen, sprachlich bisweilen etwas antiquierten Essay, von dem man jedoch vieles mitnimmt.

Modulationsreiche Stimme: Schauspielerin Barbara Auer (Archivbild).
Modulationsreiche Stimme: Schauspielerin Barbara Auer (Archivbild). © Imago/Stephan Wallocha

Erst wenige Monate vor ihrem Tod wird sich Fanny dazu durchringen, ihre Werke zu veröffentlichen. Die tieferen Gründe dafür, dass Felix sich so lange dagegen ausgesprochen hat, sind nie restlos aufgeklärt worden.