Hamburg. Alon Goldstein und das Fine Arts Quartet eröffnen das International Mendelssohn Festival. Ein Abend, der auch Schwächen offenbarte.
Besser kann man die jahreszeitliche Stimmung kaum einfangen. Während draußen allmählich die Blätter fallen, Temperaturen sinken und Wolken wölken, spielt Alon Goldstein drinnen, im Kleinen Saal der Elbphilharmonie, das Stück „September“ von Fanny Hensel, geborene Mendelssohn. Eine verhangene Melodie in Mittellage, gerahmt von sanft rauschenden Sechzehntelnoten.
Hören wir da, wie das Wasser und unser Leben dahinfließen? Oder raschelt dort vielleicht das Laub? Goldstein findet jedenfalls einen wunderbar gedeckten Ton. Auf einem Yamaha-Flügel, dessen Klang den intimen Charakter der Interpretation bestärkt.
Elbphilharmonie: Goldstein tupft die Töne delikat
Fast unmerklich schließt das nächste Stück an, in derselben Tonart. Fanny Hensel trifft auf Bach, auf ein Lied ohne Worte ihres Bruders Felix Mendelssohn, und wieder auf Bach: den Komponisten, den beide Geschwister so verehrt und gemeinsam wiederentdeckt haben. Wie Alon Goldstein dieser Verbindung am Flügel nachspürt, das ist dramaturgisch und pianistisch gleichermaßen fein.
Der Pianist sorgt für die Höhepunkte, beim Auftakt zum achten International Mendelssohn Festival. Auch im letzten Werk des Abends, einer Bearbeitung von Mozarts F-Dur-Klavierkonzert für Klavier und fünf Streicher. Goldstein tupft die Töne delikat, er ist agil und beweglich im Tempo, immer bereit, kleine Atemzäsuren zu machen, kurz inne zu halten oder voran zu gehen. Sein Spiel pulsiert, versprüht funkelnden Esprit.
Die Streicher sind weniger wendig
Der prallt allerdings bei den Kollegen vom erweiterten Fine Arts Quartet weitgehend ab. Im Dialog mit ihrem Solisten sind die Streicher weniger wendig, auch im Klang. Was bei Goldstein frei und leicht daherkommt, wirkt bei ihnen oft ein bisschen fest, gerade in der Oberstimme.
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Ja, das Fine Arts Quartet hat eine ruhmreiche Tradition, natürlich spielen die vier Mitglieder professionell zusammen, und ja, hier und da leuchtet der Sound der edlen Instrumente herrlich auf. Aber, bei allem Respekt: mittlerweile scheint das Ensemble doch schon den Spätherbst seiner Karriere anzusteuern.
Elbphilharmonie: Bei Beethoven wären ganz andere Qualitäten gefragt
Im Mozart-Konzert bringt der Pianist noch frischen Wind, das Streichsextett aus Strauss‘ Oper Capriccio zelebriert ohnehin nostalgische Verklärung, das passt schon. Aber bei Beethoven wären ganz andere Qualitäten gefragt. In seinem c-Moll-Quartett op. 18,4 lässt der Endzwanziger die Muskeln spielen, er versprüht eine nervös vorandrängende Energie und bricht klassische Konventionen auf.
Davon ist bloß wenig bis nichts zu spüren. Die Aufführung vom Fine Arts Quartet wirkt über weite Strecken gesetzt und behäbig, der Humor im Scherzo altväterlich. Sie zeigt all das, was Beethoven gerade nicht ausmacht. Auch wenn im Finale wenigstens ein bisschen vom Feuer der Musik auflodert: Ein Missverständnis. Aber das Ensemble hat ja in den nächsten Festivalkonzerten noch Gelegenheit, den Eindruck zu korrigieren.