Hamburg. Teilweise schien es, als säße das Publikum selbst im Orchester. Am 17. September gibt es bereits das nächste Geschenk.
Ein schöneres Wetter als am Donnerstagabend hätte man sich für das Konzert des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg auf dem Rathausmarktplatz nun wirklich nicht vorstellen können. Die Sonne strahlte noch vom Himmel, als der Kampf um die freien Stühle des proppevollen Platzes schon mehr als eine Stunde vor Beginn des Konzertes losging.
Es war aber alles fantastisch organisiert, Gedrängel wurde vermieden, und Ordner halfen dabei, die Leute dorthin zu lenken, wo noch was zu finden war. Von passionierten Konzertbesuchern über Menschen mit Einkaufstaschen, die gar nicht mit einem solchen Event gerechnet hatten, bis hin zu Kindern und Jugendlichen, von denen manche auf den Plätzen, andere draußen vor den Absperrungen lauschten, war jede Altersklasse vertreten.
Konzert Rathausmarkt: Ein genialer Einfall von Kent Nagano
Der Staatsopernintendant Georges Delnon freute sich mächtig, als er das Publikum begrüßte und begeistert ausrief: „Ihr seid ja alle da!“ Er erinnerte an die Anfänge der Rathausmarkt-Tradition und Kent Naganos genialen Einfall vor vier Jahren, den Hamburgerinnen und Hamburgern mit diesem Gratis-Konzert ein Geschenk zu machen. Ein weiteres Geschenk eines Opernhauses, das sich der ganzen Stadt zu öffnen gewillt ist, erwartet das Publikum ja dann auch gleich wieder am 17. September, wenn Bizets „Carmen“ zur Saisoneröffnung im Großen Haus Premiere hat und auf dem Jungfernstieg unter freiem Himmel auf der Leinwand mitverfolgt werden kann.
Das „erste Juwel der klassischen Musik“, das Delnon auf dem Rathausmarktplatz am Donnerstagabend dann anmoderierte, war die 8. Symphonie von Ludwig van Beethoven. Es ist eines der unbeschwertesten Werke seines ganzen sinfonischen Zyklus, fröhlich, frech und voller Spielfreude. Kent Nagano wählte gleich im Allegro vivace e con brio ein beherzt flottes Tempo, bei dem die Effekte und Überraschungen Schlag auf Schlag Vergnügen bereiteten.
Nicht nur das Publikum, auch die Möwen hatten ihre Freude
Die Beschallungstechnik war so perfekt, dass jedes Instrument in vollster Klarheit hervortrat und selbst das leiseste Pianissimo noch bis zu den Alsterarkaden wahrzunehmen war. Links und rechts waren große Leinwände platziert, auf denen eine geschickte Kameraführung die Musikerinnen und Musiker aus allen Perspektiven sichtbar werden ließ. Die Holzbläsergruppe sahen wir oft in Profilaufnahmen, die Streicher aus der Perspektive des Konzertmeisters und Nagano dann plötzlich von vorne, so als säße das Publikum selbst im Orchester. Nicht nur wir, auch die Möwen hatten ihre Freude, flogen kreuz und quer über das Ereignis hinweg und hielten dabei überraschenderweise sogar ihre Schnäbel.
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Die an ein Metronom erinnernden Repetitionen der Bläser im Allegretto scherzando ließen den zweiten Satz, bei dem man eigentlich einen langsamen Satz erwarten würde, munter und lebendig werden. Auch hier zog Nagano die Tempi an und plötzlich blies ihm auch der Wind von der Alster her entgegen und wehte die Blätter seiner Partitur um. Was übrigens nichts machte, denn Beethovens Achte kennen die meisten Dirigenten und erst recht Kent Nagano ja sowieso auswendig. Großartig war der Mittelteil des Tempo di Menuetto mit den gefürchteten Soli zweier Hörner und einer Klarinette, einer Art sinfonischer Kammermusikeinlage, die sich zum Holzbläserquintett erweiterte.
Konzert auf dem Rathausmarkt: Am Ende gab es ein Sahnehäubchen
Langsam dämmerte es und die Bühne wurde passend zu Arvo Parts „Swansong“ in ein fliederfarbenes Licht getaucht. Der große estnische Komponist hatte das Orchesterwerk extra für das Philharmonische Staatsorchester Hamburg bearbeitet, das diese „Hamburger Fassung“ bereits im vergangenen Jahr zur Uraufführung gebracht hat. Die Aufführung auf dem Rathausmarktplatz sollte auch ein Auftakt sein zu der „Pärt-Trilogie“, die das Orchester vom Freitag bis zum Sonntag im Michel im Rahmen seiner Akademiekonzerte auf die Beine stellt. Schön hob das Englischhorn begleitet von hellen Schlagwerkakzenten an und die Blechbläser folgten mit choralartigen Passagen. Diese Musik strahlt etwas ungemein Positives aus und erwärmte die Herzen in einer Zeit voller Furcht und Schrecken.
Für das Sahnehäubchen an diesem gelungenen Open-air-Abend sorgte am Ende der Solist Christian Tetzlaff mit seiner außergewöhnlich feinen Interpretation des Violinkonzerts von Johannes Brahms. Man schmolz förmlich dahin beim lyrischen Seitenthema des Kopfsatzes und gegen die Klanggewalt des Brahmsschen Orchestersatzes behauptete sich der 56-jährige Hamburger mit dramatischen Gesten auf seinem Instrument und einer unvergleichlichen Eleganz und Tongebung.