Hamburg. „A Divine Comedy“ der Choreografin Florentina Holzinger ist vor allem ein Sieg der Weiblichkeit über alle Widrigkeiten.
Das Paradies hat viele Erscheinungsbilder. Bei der Choreografin Florentina Holzinger ist es vielleicht die absolute diesseitige Freiheit in harmonischer Schwesternschaft. Die derzeit so angesagte wie berüchtigte Choreografin liefert mit ihrer an der Volksbühne Berlin stets ausverkauften Version von „A Divine Comedy“ sehr frei nach Dante Alighieri eine fulminante Abschluss-Überwältigung beim Internationalen Sommerfestival auf Kampnagel.
Sie ist wenig skandalös, aber schrill, durchaus unterhaltsam und reiht immer neue Schauwerte aneinander. Viele Bilder erinnern an die Verausgabungs-Performances des wegen Machtmissbrauchs in Ungnade gefallenen Künstlers Jan Fabre und erhalten auch dadurch eine feministische Note.
Auf Kampnagel performt ein rein weibliches, unbekleidetes 22-köpfiges Ensemble
Denn hier performt ein rein weibliches, unbekleidetes 22-köpfiges Ensemble. Da setzen vier Tänzerinnen, Holzinger eingeschlossen, zum zehnfach wiederholten 30-Meter-Hürdenlauf an. Oder sie bearbeiten mit der Axt dicke Holzstämme.
Ein Motorrad kreist und legt Stunt-Sprünge hin. Zwei Autos senken sich von der Decke. Ein Flügel steigt auf. Anmutige Ballett-Figuren brechen zu lauten Industrial-Klängen in eine Techno-Ekstase aus. Der Schmerz, die Rohheit, auch die Gewalt sind immer Thema bei Holzinger.
Als größte Zumutung des Lebens wird hier allerdings der Tod entlarvt. Die schmale inhaltliche Erzählung ist heruntergebrochen auf die Lebensgeschichte der früheren Neumeier-Tänzerin Beatrice Cordua, die in sehr bewegenden Momenten von ihren beiden Toden erzählt: der erste ereilte sie mit Mitte Vierzig mit dem Ende der Ballett-Karriere. Der zweite wartet noch – die 81-jährige Cordua leidet an Parkinson.
Die Tänzerinnen wälzen sich in einem schlammigen Farb-Bad
Mit dem frisch einer Performerin abgezapften Blut wird fröhlich eine hohe Leinwand in Action- und Body-Painting-Manier beschmiert, bevor sich die Tanzenden davor in einem schlammigen Farb-Bad wälzen. Wenn man schon sterben muss, will man davor wenigstens Spaß haben.
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„A Divine Comedy“ ist ein großer, bunter Totentanz über Leben, Lieben, Sterben, Gewalt – vor allem aber ein Sieg der Weiblichkeit über alle Widrigkeiten. Es ist ein technisch perfektes, inhaltlich gleichwohl wenig tiefschürfendes Dante-Spektakel. Und vielleicht war auch alles nur ein Traum.
Internationales Sommerfestival bis 28. August, Kampnagel, Jarrestraße 20-24, Karten unter T. 27 09 49 49