Hamburg. Die Kabarettistin stellte in Winterhude ihren neuen Roman vor. Auf empörte Kritiker wartete sie allerdings vergeblich.

Das Publikum hatte sich gerade erst gesetzt, da hob der Gastgeber zum Sticheln an. Rainer Moritz, Leiter des Hamburger Literaturhauses, war zwar nicht ganz zu Hause: Die Lesung von Lisa Eckhart fand im Magazin Filmkunsttheater statt, nicht am Schwanenwik, wo das Literaturhaus seit jeher residiert. Dort hatte Eckhart, die umstrittene Kabarettistin und Autorin, 2020 noch gelesen. Damals war vorher anderswo, auf dem Harbour Front Literaturfestival, ein Auftritt Eckharts wegen angeblich unsicherer Gefahrenlage abgesagt worden. Man befürchtete linke Proteste.

Auf die irrigen Ansichten von damals spielten sowohl Moritz als auch Eckhart am Donnerstagabend wieder an. Vom Agenten Eckharts war die Rede, dem man notfalls eine Skimütze hätte überziehen und munitionieren sollen, damit er mit irgendwas Eckhart hätte bewerfen können. War halt auch diesmal gar niemand da, der etwas gegen Lisa Eckhart (Moritz: „Wenn es Sie tröstet – auf Instagram gab es ein paar Proteste“) vorbringen wollte. Worauf die mit Blick auf das aktuelle Spielfeld der Empörten das Thema trocken abband: „Die sind jetzt wahrscheinlich alle am Set vom Winnetou versammelt, da ist kein Platz mehr für die Eckhart.“

Lesung: Gemischtes Publikum bei Eckharts Buchpremiere

Im Kinosaal hatte sich bei Eckharts Buchpremiere, wie man oft so sagt, ein gemischtes Publikum eingefunden, mit starker Tendenz ins Gräuliche. Was die Haare meint, sicher nicht den Geschmack. Bei Lisa Eckhart, der 29 Jahre alten in Leipzig lebenden Österreicherin, gibt es nur schwarz und weiß, man mag sie oder man findet sie blöd. „Maske auf oder nicht“, fragte ein Besucher beim Einlass, das retournierte „Das bleibt Ihnen überlassen“ gilt in Fragen des Humors auch immer. Also, finde ich das komisch oder nicht?

Im Falle dieses Abends war die Antwort im Hinblick auf die 300 Leute im Publikum klar. Es war zu einem größeren Teil die Generation da, die im Fernsehen noch Kabarett guckt und für die der Ausbruch des braven Bürgers aus seinem Korsett darin besteht, einmal die Woche auf dem heimischen Sofa im mitunter politisch unkorrekten Renitenz-Rausch zu eskalieren. Endlich mal über Verbotenes lachen. Wobei Eckharts Juden-Witze nicht zu ihren besten gehören.

Eckharts Auftritte sind einstudiert

Heikle Felder werden in Eckharts neuem Roman, dem zweiten nach dem auf seine Weise überzeugenden Debüt „Omama“, nicht betreten. „Boum“ ist ein Paris-Buch, was dem Moderator des Abends entgegenkam – Rainer Moritz darf als Kenner der französischen Hauptstadt gelten. In Hamburg konnte er damit nicht allzu sehr glänzen, hatte vielmehr damit zu tun, mit der gedanklich und rhetorisch fixen Eckhart mitzuhalten. Was ihm insgesamt gelang, das ist keine Selbstverständlichkeit.

Auf Eckharts Status als polarisierende Bühnenfigur mit der Humorpeitsche in der Hand ging er gar nicht erst ein, die Worte „makaber“ oder „provokativ“ fielen kein einziges Mal. Eckhart,eine studierte Geisteswissenschaftlerin, wäre imstande, jene Begriffe argumentativ zu unterlaufen. Als sich selbst aufwendig inszenierende (imposant: das Abendkleid in mehrerlei Blau) Künstlerin sind ihre Auftritte hinreichend einstudiert, aber die Spontaneität macht’s am Ende dann halt auch.

Das Gemächt wird justiert

Eckhart ist, natürlich auch wegen ihres Idioms, eine Schau. Kritikerinnen und Kritiker monieren, was Eckharts Bücher angeht, die auf Pointe hingeschriebene Prosa. In der Tat entdeckt man auch in „Boum“, jenem übersprudelndem Gattungsbastard aus Burleske, Entwicklungsroman und Klamotte, leicht die Kabarettistin. Wenn der Roman ihre große Liebe sei, erklärte Eckhart dem Publikum, dann seien ihre Kabarettprogramme wie schnelle Affären.

Sie ist also froh über ihre beiden gleichberechtigten Disziplinen. In Paris („„Man hat den Eindruck, hier riecht selbst der Urin in der U-Bahn nach Croissants“) hat sie ja mal gelebt, den Roman soll man also ruhig als Hommage verstehen. Die ist fraglos eigenwillig. Huren, Bettler, Straßenmusikanten treten hier auf, melancholische Kommissare, Terrorexperten („Er justierte sein Gemächt“) und eine österreichische Studentin, die sich zwischendurch mal in die Unterwelt, dann auf eine Automobilmesse verläuft. Immense Live-Qualitäten hat dieser Text und das auch, weil Eckhart so vorträgt, wie sie eben vorträgt.

Lesung von Lisa Eckhart – ein unterhaltsamer Abend

In einer lauten, knallenden Selbstüberzeugung, die das Österreichische mit dem Effektvollen und das Kunstfertige mit dem Albernen mischt. Im unvergleichlichen Paris, so Eckhart, sei der Ekel verflochten mit Verzückung, und das ist dann halt mal eine treffende Formulierung. Das Publikum lachte bisweilen schallend. Eckhart räsonierte, von Rainer Moritz, der mal eine interessante literarische Studie mit dem Titel „Wer hat den schlechtesten Sex?“ veröffentlicht hat, durchaus aufgefordert, über erotische Prosa. Ihr Fazit: „Sexszenen können nur misslingen, die Frage ist, ob das interessant geschieht oder nicht.“

In der gesellschaftlichen Diagnose versuchte Eckhart sich übrigens auch und nahm dabei die Streaming-Gewohnheiten in den Blick. „Die Leute erregen sich über Mikroaggressionen, haben aber keine Hemmungen, sich abends beim Netflix Serienmörder-Dokumentationen reinzuziehen.“ Es war ein unterhaltsamer Abend mit interessanten Einsichten.