Hamburg. Das Ensemble Reflektor unter Katharina Wincor wird in der Elbphilharmonie gefeiert. Ein besonderer Moment bleibt in Erinnerung.

Stehen ist gerade im Trend. Nicht nur Teodor Currentzis und sein Ensemble musicAeterna absolvieren ihre Programme stehend, auch das Ensemble Reflektor benötigt im Großen Saal der Elbphilharmonie nur für die Cellisten und Bassisten Stühle.

Entsprechend befreit und energetisch können die 45 Mitglieder des Hamburger Kammerorchesters aufspielen. Ganz im Sinne der erst 27 Jahre alten Dirigentin Katharina Wincor. Mit Verve treibt sie die Musiker an, manchmal scheint sie fast in die vor ihr sitzende Celli-Gruppe hinein zu kriechen. Sie schwingt ihren Taktstock mit ausladenden Gesten und sorgt für Tempo und Wucht, doch auch die zarten Passagen gelingen ihr.

SHMF in der Elbphilharmonie: Euphorischer Jubel

Orchester und Dirigentin verschmelzen bei diesem Konzert im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festivals zu einer perfekten Einheit. Entsprechend euphorisch ist der Jubel des Publikums im ausverkauften Großen Saal.

Im Mittelpunkt des Konzertabends steht die 2. Sinfonie der französischen Komponistin Louise Farrenc (1804-1875). Das Ensemble Reflektor hat es sich zur Aufgabe gemacht, Werke von vergessenen Komponistinnen wieder aufzuführen. Farrencs viersätzige Sinfonie ist ein fein austariertes Werk mit einer breiten Palette an Klangfarben, großen dynamischen Wechseln, schwelgerischen und geradezu beswingten Parts.

Von Katharina Wincor wird man noch hören

Wincor, von der man in Zukunft sicher noch eine Menge hören wird, macht daraus ein mitreißendes Stück musikalischer Romantik. Schon bei Johannes Brahms „Variationen über ein Thema von Joseph Haydn“ zu Beginn des Abends zeigt sie die Bandbreite und die Spielfreude des im Jahr 2015 in Hamburg gegründeten Kammerorchesters.

Solistin des Abends ist die auf der Krim geborene Saxofonistin Asya Fateyeva. Sie spielt die Sonate für Klarinette und Klavier f-Moll op. 120 von Johannes Brahms, die Luciano Berio 1986 für Orchester bearbeitet hat. Fateyeva, die an der hiesigen Hochschule für Musik und Theater (HfMT) lehrt, hat die Originalstimme von Brahms für dieses Konzert für Saxofon transkribiert. Allerdings hat sie Probleme, sich mit ihrem Altsax gegen das Orchester durchzusetzen.

Ungemein berührend ist die Zugabe

Ungemein berührend ist jedoch ihre Zugabe. Über den mörderischen Krieg, den Vladimir Putin gegen ihre ukrainischen Landsleute führt, muss sie nichts sagen. Das romantische Jazz-Stück „Winter in Odessa“, von dem ukrainischen Pianisten Vadim Neselovskyi geschrieben, drückt die Sehnsucht nach der Heimat auf ergreifende Weise aus. Neselovskyi kommt zum Applaus auf die Bühne, Arm in Arm geht er schließlich mit Fateyeva in Richtung Garderobe – so sieht Solidarität unter Landsleuten aus.

Ensemble Reflektor: ensemble-reflektor.de

Asya Fateyeva: asyafateyeva.com