Rellingen. In der Rellinger Kirche musizierten Sabine Meyer, Alban Gerhardt und Markus Becker – mit etwas abgewandeltem Programm.
Die Schlange der Konzertbesucher zog sich fast bis zum alten Marktplatz – und das im Regen: Alle wollten sie das Kammerkonzert des Schleswig-Holstein Musik Festivals am Sonntagabend in der Rellinger Kirche erleben. Drinnen kam es dann etwas anders als angekündigt, denn der koreanische Pianist Seong-Jin Cho war erkrankt.
SHMF-Konzert mit etwas abgewandeltem Programm
Als würdiger Ersatz sprang Markus Becker ein, der mit Sabine Meyer ebenso gewohnt ist zu spielen wie mit Alban Gerhardt. Der Ausfall Chos’ bedingte kleine Abweichungen vom Programm: Statt des eher selten zu hörenden Grand Duo Concertant von Carl Maria von Weber erklang Schuberts Arpeggione Sonate.
Zu dritt beginnen die drei Musiker mit Beethovens „Gassenhauer“-Trio, das sich mal zu hoch differenziert verflochtenen Partien auf- und niederschwingt, mal einem munteren Liedchen folgt, dieses abwandelt und am Ende noch mal aufgreift. Was in den Gassen damals gesungen und gepfiffen wurde, etwa eine Melodie aus einer sehr populären Oper von Joseph Weigl – hier ist es verfeinert durch den Geist Beethovens und drei entfesselte Musiker, die gern Musikanten sind. Leider ist der Flügel, auf dem Markus Becker vielfarbig spielt, gelegentlich etwas zu laut, um dem weichen Klarinettenton Sabine Meyers genügend Raum zu lassen, wie sie überhaupt anfangs etwas matt wirkt.
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SHMF-Konzert begeistert das Rellinger Publikum
Das legt sich mit dem nächsten, fordernden, facettenreichen Stück, das Markus Becker und Sabine Meyer allein spielen: Francis Poulencs Sonate für Klarinette und Klavier reißt die Zuhörer ins 20. Jahrhundert mit seinem experimentellen Reichtum, seinem Eklektizismus und seinen Brüchen. Ein erfrischendes, manchmal auch verstörendes Stück, das Sabine Meyer bravourös meistert – in kontrastreicher Harmonie mit Markus Becker. Eine Kluft reißen sie damit auf zur Wiener Klassik. Ein wehmütiges Gefühl liegt gelegentlich unter der neuen Tonwelt, deren Quellen im Jazz und Varieté liegen, aber auch in der treibenden neuen Mobilität.
In der Arpeggione-Sonate läuft der Cellist Alban Gerhardt zu Hochform auf, wenn er das nicht schon zu Anfang getan hat. Mit Virtuosität, Beweglichkeit und Musikalität ringt er seinem Cello ab, was der empfindsame Schubert für ein heute verschwundenes sechssaitiges „Gitarre-Violoncell“ geschrieben hat, auch wenn Gerhardt mehr Prägnanz und drängende Vitalität als Zartheit spüren lässt. Mal versetzt er sein Publikum in einen wilden Glückstaumel und wiegt den hölzernen Bauch seines Instruments wie den einer Frau im Tanz, mal hallt sein rundes Pizzikato im hölzernen Cello-Bauch wider.
Im letzten, teils etwas überladenen Stück des Abends von Brahms fließen alle drei Stimmen und Temperamente wieder zusammen zum Klarinettentrio a-moll opus 114. Ein eher ruhiges Stück, in dem das Cello und das sich steigernde Klavier wechselnd mit der sanften, charaktervollen Klarinette, die Motive übernehmen, variieren und nachhallen lassen.