Hamburg. Fünfmal wurde ihr Auftritt abgesagt, jetzt spielte die Amerikanerin endlich in Hamburg – auch ihren großen Song.
Los geht’s mit „Marlene On The Wall“. Das war 1985 der erste Hit von Suzanne Vega. Wenn Künstlerinnen oder Künstler einen bekannten Klassiker an den Anfang eines Auftritts stellen, entgehen sie den oft nervigen Rufen ihrer Fans nach genau diesen Nummern. Schließlich ist so ein Liederabend kein Wunschkonzert, sondern besitzt – im idealen Fall -- einen dramaturgischen Bogen.
Und den gibt es bei der inzwischen 63 Jahre alten Singer-Songwriterin aus New York. Ihr 105 Minuten langes Konzert im Mojo Club beginnt mit einigen älteren und ruhigen Songs wie „Small Blue Thing“, steigert sich im weiteren Verlauf mit ein paar Nummern, bei denen sie und ihr Begleiter Gerry Leonard ungestüm auf die Saiten ihrer Gitarren dreschen und findet vor den Zugaben ein Ende mit „Luka“ und „Tom’s Diner“, ihren anderen großen Hits.
Suzanne Vega: Mädchenhaftes Image
Mit ihrem schwarzen Outfit und einem Zylinder auf dem Kopf sieht Vega aus wie eine Varieté-Künstlerin. Bis heute hat sie sich trotz ihres Alters ein mädchenhaftes Image bewahrt. Das liegt sicher auch an ihrem unprätentiösen Auftreten. Sie ist nicht nur eine herausragende Sängerin, sondern auch eine selbstironische Erzählerin.
Vega entschuldigt sich dafür, dass ihr Hamburger Konzert fünfmal verschoben werden musste. Die letzte Verlegung passierte im Juli: „Da hat mich Corona in Den Haag erwischt. Ich durfte mein Hotelzimmer nicht verlassen und habe Holländisch gelernt“, sagt sie und radebrecht ein paar holländische Wörter. Auch ihre erste Liebe – „hielt nur sieben Wochen“ – beschreibt sie ausführlich und pointiert und leitet damit „Gypsy“ ein, den ersten Song, den sie je geschrieben hat.
Suzanne Vega ist eine kluge Geschichtenerzählerin, deren Songs auf Alltagsbeobachtungen und persönlichen Erfahrungen basieren und die sie immer wieder in aktuelle Zusammenhänge stellt. Das wuchtige „Rock In This Pocket“, ihre Version der biblischen Geschichte von David und Goliath, singt sie für das ukrainische Volk. „Ich hoffe, dass David wieder gewinnt“, sagt sie. Das sich anschließende „Horizon“ widmet sie Vaclav Havel, dem Schriftsteller, Philosophen und ehemaligen Präsidenten der Tschechoslowakei.
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Suazanne Vega: Am Ende doch ein Wunschkonzert
Auch drei Musikerkollegen erwähnt Suzanne Vega und macht keinen Hehl aus ihrer Verehrung für Leonard Cohen, Elvis Costello und Lou Reed. Von ihm covert sie im Zugabenteil „Walk On The Wild Side“, ein Lied, die perfekt zum CSD passt, der an diesem Sonnabend in Hamburg gefeiert wird.
Am Ende des Auftritts gibt es doch noch ein wenig Wunschkonzert. Als Vega zur zweiten Zugabe noch einmal aus der Garderobe kommt, überlegt sie, welchen Song sie spielen soll. Vehement fordert ein Fan „Cracking“. „Den Song spiele ich nicht oft, ich hoffe, ich kann den Text noch“, sagt Vega und erfüllt den Wunsch ohne Hänger. Der Beifall ist euphorisch – wie nach jedem Song. Schönes Konzert. Chapeau, Suzanne Vega!