Hamburg. Das riesig besetzte Werk von Strauss war als Konzertspaß mit Special Effects geplant. So ganz ging die Rechnung aber nicht auf.
Einmal mit dem Suppenlöffel ganz tief rein ins frisch geöffnete Nutella-Glas. So muss es sich anfühlen, wenn man Strauss’ „Alpensinfonie“ dirigiert und sich von den vielen lauten Stellen fast vom Podest fegen lassen kann: bergeweise leere Kalorien – aber so was von lecker.
Das Stück an sich ist trotz des alpinen Leitmotivs so flach wie Nordfriesland, es schildert das knapp einstündige Auf und Ab einer Gipfelwanderung, Blümchenpflücken, Wasserfall und Donnerwetter inklusive. So fotorealistisch verkomponiert und arrangiert, als wäre jedes Detail auf einer Riesen-Kinoleinwand abgebildet. Das allerdings mit maximalem Personal- und Instrumentariums-Aufwand.
Elbphilharmonie: Gilbert dirigiert Strauss' "Alpensinfonie"
Die Bühne des Großen Saals der Elbphilharmonie war dafür komplett mit dem NDR-Orchester bedeckt, die Orgel durfte massiv mitdröhnen und die Windmaschine pusten, ein üppiges Fern-Orchester als Special Effect hatte seinen saftigen Einsatz. Zum Abschied aus der Konzert-Saison hatte Chefdirigent Alan Gilbert den einmal wegen Corona vertagten Kracher aufs Programm gebracht, als Riesen-Spaß für alle Beteiligten und das Publikum gedacht, nach etlichen Monaten, in denen das Potenzial der Repertoire-Möglichkeiten nicht ausschöpft werden konnte.
Ganz ging diese Rechnung am ersten der zwei Abende allerdings noch nicht auf. Gilbert gelang es trotz sehr energischer Motivationsgestik nicht immer, die Detailschärfe der Partitur auch in den voll auszureizenden Klangraum umzusetzen. Obwohl immer wieder der Einfallsreichtum der Instrumentation, durch die Saal-Akustik scharf getrennt intensiviert, plastisch vor Ohren geführt wurde, verklumpte die Naturschilderung mit ansteigender Lautstärke mehrfach zu einer zu kompakten Masse.
Ständiges Nachjustieren in der Elbphilharmonie
Die Trompeten, von Strauss gemein grenzwertig gefordert, waren nicht immer spielerisch trittsicher oder gänzlich frei von Höhenangst. Die Genauigkeit, mit der Strauss die fliegenden Tropfen des Wasserfalls, die tollste Gewitterschilderung seit Beethovens „Pastorale“ oder den majestätischen Panorama-Blick auf der Bergspitze vorführt, braucht dann doch, bei aller Phonstärke, ein extrem genaues Abwägen und ständiges Nachjustieren. Aber andererseits ist die „Alpensinfonie“ auch keine tiefgründige Suche nach letzten Wahrheiten, sondern ein spektakelndes Spektakel um seiner selbst willen.
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Vor der Pause ging es extrem kleiner zu. Yefim Bronfman hatte sich mit einem akuten Finger-Problem nach einer kürzlich erlittenen Verletzung für das 2. Bartók-Klavierkonzert akut krankmelden müssen. Last-Minute-Retter in dieser Notlage war das Noah Quartett, vier Orchestermitglieder, die von jetzt auf gleich mit Schostakowitschs 3. Quartett einsprangen.
Im Laufe der Sätze spielten sie sich freier, wurden dringlicher, packender, mutiger. Und erhielten am Ende von gut 2000 Menschen begeisterten, dankbaren Beifall, für ein Stück Kammermusik, von dem viele garantiert nicht geahnt hatten, wie viel ihnen da bislang entgangen war.
Das Konzert wird am heutigen Sonnabend, 20 Uhr, wiederholt. Der zweite Teil wird ab 21 Uhr als Livestream in der Elbphilharmonie-Mediathek sowie auf der Website des NDR-Orchesters übertragen.