Hamburg. Der Komponist war für die Uraufführung seiner Sinfonie Nr. 4 persönlich nach Hamburg gereist – ein sonderbares Werk.
Mit dem Namen Marc Neikrug verbinden wir in Hamburg auch eine wirklich legendäre Aufführung seines Stücks „Through Roses“ am Thalia Theater im Jahr 1995. Damals war Christoph Bantzer in der Rolle eines jüdischen Geigers, der die Schrecken seiner Erlebnisse im Konzentrationslager Auschwitz in einem inneren Monolog zu verarbeiten versucht, schauspielerisch über sich hinausgewachsen. Neikrug hatte dazu eine Musik für acht Instrumentalisten geschrieben, die das Unausgesprochene der Erinnerungen in Klang verwandelte und zu Herzen bewegte.
Elbphilharmonie Orchester spielt Sinfonie von Marc Neikrug
Für die Uraufführung seiner Sinfonie Nr. 4 am Donnerstag mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester unter Alan Gilberts Leitung nun war der Komponist, weltbekannte Duopartner von Pinchas Zukerman und künstlerische Leiter des Santa Fe Chamber Music Festivals persönlich nach Hamburg gereist und freute sich über den Applaus, der ihm entgegenschlug. An die musikalische Qualität seiner früheren Werke konnte das riesig besetzte Orchesterwerk allerdings nicht wirklich anknüpfen.
Seine 4. Sinfonie widmete Neikrug dem Andenken seiner vor zwei Jahren 67-jährig verstorbenen Bekannten Maggy Kongsgaard, die im kalifornischen Napa mit ihrem Mann ein heute weltberühmtes Weingut gegründet hatte. Ein dumpfer Schlag der Trommel, unruhige Tremolos von acht Kontrabassisten, Paukenwirbel und tiefe Blechbläser eröffneten das Werk. Das Deprimierende, Anklagende und Dunkle dieser ersten Takte durchzog dann nicht nur das Maestoso zu Beginn, sondern alle vier Sätze dieser Sinfonie.
Elbphilharmonie: Marc Neikrug – sonderbar blockartiges Werk
Immer wieder schwang sich das Geschehen zu dramatischen Steigerungen auf, die aber nicht wirklich ein Ziel erreichten, sondern nur Übergänge zu weiteren, zähen Abschnitten dieses Werkes schufen. Für Abwechslung sorgten im zweiten Satz Marimbaphon-Einsätze, die aber von bedrohlichen Posaunen- und Basstubaklängen gleich wieder erstickt wurden.
Überhaupt ist die Sinfonie Nr. 4 von Marc Neikrug ein sonderbar blockartig instrumentiertes Werk, das die Klangmöglichkeiten der vielen zum Einsatz kommenden Orchesterinstrumente nur sehr unzureichend ausschöpft. Das wirkte, weil auch die Stimmungscharaktere aller vier Sätze dieser Sinfonie irgendwie gleichförmig blieben, auf Dauer dann doch ermüdend. Diesen Eindruck konnte im Finale auch kein plötzlich einbrechendes, fast ein wenig hymnisches Pathos retten, weil dies, wie so vieles in dieser Sinfonie, gleich wieder versandete.
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Elbphilharmonie: Alan Gilbert und Emanuel Ax nehmen Werk jede Schärfe
Gegen das opulente Neikrug-Orchester wirkte die reduzierte Orchesterbesetzung, die das NDR Elbphilharmonie Orchester dann für das 1. Klavierkonzert d-Moll op. 15 von Johannes Brahms gewählt hatte, fast bescheiden. Aus acht waren hier fünf Kontrabässe geworden, die Blechbläser waren ausgedünnt und das vielteilige Schlagwerk war mit Ausnahme der Pauken vom Podium verschwunden.
Alan Gilbert und der US-amerikanische Pianist Emanuel Ax waren auch hier entschlossen, dem Werk jede Schärfe und Aggressivität zu nehmen. Ax verstand sich mit seinen exzellent gespielten Soli als Teil eines sinfonischen Werkes, in dem das Klavier keine Dominanz entfaltet, sondern eng mit dem Orchester verschmilzt.