Hamburg. Zwei Stunden Feuerzauber für 12.000 Fans: Die Hardrock-Veteranen luden zur angeblich finalen Party der Band in die Barclays Arena.

Es schellt in den Ohren beim Konzert von KISS am Montag in der Hamburger Barclays Arena. Das allerdings nicht von „Detroit Rock City“, „Shout It Out Loud“, „Deuce“ und den anderen Hits der vor bald 50 Jahren gegründeten Hardrock-Entertainer aus New York, sondern von den klingelnden Kassen der Pyrotechnik-Branche.

Während in der Barclays Arena gefühlt minütlich eine Flammenwand, eine Feuerfontäne oder ein donnernder Knalleffekt gezündet wird, wird nebenan im Volksparkstadion bereits für das Doppelkonzert von Rammstein am Dienstag und Mittwoch aufgebaut. Die beiden Bands mit den größten Knalleffekten im Rockgeschäft sind gleichzeitig in der Stadt, da ist sicher eine Sondereinheit bei der Feuerwehr abgestellt.

Konzertkritik: KISS in Hamburg – auf 30 cm hohen Stiefeln

Bei KISS geht jedenfalls alles glatt. Klar, die Schminke, die sich Gene Simmons, Paul Stanley, Tommy Thayer und Eric Singer in die Gesichter klatschen, ist am Ende des zweistündigen Abends etwas brüchig, aber die KISS-Maschine läuft so geölt wie kunstblutgeschmiert. Es ist mal wieder eine der Abschiedstourneen von KISS, angekündigt als „End Of The Road Tour“.

KISS: Auch bei ihrem Konzert in Hamburg wurden viele Feuerfontänen und donnernde Knalleffekte gezündet (Archivbild).
KISS: Auch bei ihrem Konzert in Hamburg wurden viele Feuerfontänen und donnernde Knalleffekte gezündet (Archivbild). © picture alliance / MATRIXPICTURES | MATRIXPICTURES

Und wer könnte es ihnen verdenken. Simmons und Stanley, die beiden Gründungsmitglieder, haben die 70 überschritten und das ist wirklich kein gutes Alter, um auf 30 Zentimeter hohen Plateaustiefeln über die Bühne zu staksen und herumzuhampeln. Aber: Fitness-Unterschiede zu KISS 1980 in der Ernst-Merck-Halle oder 1997 auf der Trabrennbahn sind beim laut Paul Stanley sechsten Auftritt der Truppe in Hamburg nicht auszumachen. Sehr beachtlich.

KISS in Hamburg: Meterhohe Statuen an den Bühnenseiten

Beachtlich ist auch, was in der Barclays Arena neben kiloweise Schwarzpulver aufgefahren wird. Rechts und links an den Bühnenrändern erheben sich unter den Bannern der „KISS Army“ meterhohe Statuen von „The Starchild“, „The Demon“, „The Spaceman“ und „The Catman“, den Alter Egos des Quartetts. Batterien von Strahlern und Lasern und drei Videowände zerren an den Stromkreisen, und zum Auftakt mit „Detroit Rock City“ schweben die Herren standesgemäß mit Liftbühnen herab.

Seit den frühen 70ern ist das – mit einer Durststrecke in den 80er-Jahren – das berühmte Erfolgsrezept der Band. „War Machine“, „I Love It Loud“ oder „Lick It Up“ sind bei aller Eingängigkeit keine Wunderwerke der Hardrock-Kompositionskunst. Aber ihren virtuoseren Zeitgenossen wie Led Zeppelin (zu Led Zeps „Rock And Roll“ vom Band erlischt das Saallicht), Deep Purple oder Rainbow stahlen sie mit ihren lustigen Maskierungen und allerlei Budenzauber einen guten Teil der Show, allen maulenden Kritikern zum Trotz. Die Selbstvermarktung und das Leeren der Geldbörsen der Fans und Versorgen mit Fanartikeln und Sonderauflagen beherrscht KISS bis heute exzellent.

12.000 KISS-Fans haben sich in der Barclays Arena versammelt

Die Bude ist voll, 12.000 sind nach Hamburg gekommen, viele von weit außerhalb. Ergraute Veteranen der „KISS Army“ mit über die Jahre verschlissenen Jeanskutten voller KISS-Aufnäher versammeln sich ebenso im Rund wie die jüngste Generation mit „Starchild“-Make-up. Kinderschminken ist Heavy Metal! Sie alle bejubeln gemeinsam Eric Singers Schlagzeugsolo in luftiger Hebebühnenhöhe, Mitsingspiele und das von Bassgedröhne begleitete Kunstblut-Gesabber von Gene Simmons. Auch diese Rituale haben sich über die Jahrzehnte bewährt.

Den heutigen Zeitgeist unterstreichen vielmehr die ungezählten Handys, die zum Filmen gezückt werden, als Paul Stanley nach „God Of Thunder“ am Seil quer durch die Halle geflogen wird, um auf einer Minibühne vor dem Mischpult „Love Gun“ und „I Was Made For Lovin’ You“ zu präsentieren. Das sind die Momente, wo das Publikum auch mal zum Hexenkessel wird, denn streckenweise hat es mehr von einem artig beklatschten Zirkus – „Psycho Circus“.

1999 war Rammstein noch Vorgruppe von KISS

Egal. „You wanted the best! You got the best! The hottest band in the world: KISS“, versprach die traditionelle Ansage bei Konzertbeginn. Und KISS erweist sich zumindest an diesem Abend mal wieder als heißeste Band der Welt. Die Zugaben „Beth“, „Do You Love Me“ und „Rock And Roll All Nite“ wühlen noch mal die letzten Ballons und Knallbonbons aus den mitgebrachten Vorräten in der langen Tourbus-Kolonne hinter der Halle.

Aber beim Verlassen der Barclays Arena fällt der Blick auf das Volksparkstadion und die Rammstein-Bierstände davor. Ja, es geht doch noch eine Nummer größer. Dass Rammstein mal als Vorband von KISS auftrat, 1999 in Lateinamerika, ist kaum noch vorstellbar. Auch nicht, dass das jetzt das letzte Konzert von KISS in Hamburg gewesen sein soll. Benzin hat die Band jedenfalls noch genug in den Tanks.