Hamburg. Die US-Sängerin und ihre Band gaben ein spektakuläres Konzert voller Klassiker im restlos ausverkauften Stadtpark.

Patti Smith winkt, immer wieder, mit einem warmen Lächeln. Und das Publikum im restlos ausverkauften Stadtparkrund? Winkt mit sichtbarer Freude zurück. Alte Freunde, die sich lange nicht gesehen haben und denen das Herz aufgeht, so wirkt es. Und so ist es ja auch. Fast fünf Jahre ist es her, dass Patti Smith mit ihrer Band zuletzt in Hamburg war, mehrmals musste dieses Konzert verschoben werden, aber jetzt… endlich.

Patti Smith im Stadtpark: Ohne Rockstarshow – einfach nur sie selbst

Und schon mit den ersten Takten stellt sich die alte Magie wieder ein. Da ist vor allem diese Stimme, zugleich sinnlich und mit einer unbestimmten Spiritualität aufgeladen, die gefangen nimmt. Dazu die Ausstrahlung: Patti Smith steht lässig da, im bequemen, dunklen Anzug und liefert alles, nur keine Rockstarshow ab. So wie die Band, zu der unter anderem ihr Sohn Jackson gehört, eher im Hintergrund bleibt, turnt auch sie nicht über die Bühne, nimmt keine Posen ein, macht keine „Hamburg, ich will euch hören“-Faxen, sondern ist einfach – sie selbst.

Eine Künstlerin, die für Liebe und Mitgefühl wirbt, bei der die Musik wichtig ist, aber das Wort noch wichtiger. Und so ist jede Songzeile zu verstehen, übertönt die Band nichts, weder die beiden Dylan-Nummern, die sie singt, noch Led Zeppelins „Since I’ve Been Loving you“, das im Mittelteil eine ordentliche Portion Verletztheit transportiert. Und noch eine Coverversion gibt es an diesem Abend: Jimi Hendrix’ „Stone Free“, bei dem Patti Smith ihren Mitstreitern die Bühne überlässt und am Rand tanzt.

Ein bejubelter Höhepunkt dieses Konzert war gar kein Song

Einer der bejubelten Höhepunkte ist gar kein Song, sondern ein Gedicht: „Footnote To Howl“ von Allen Ginsberg (1926-1997). Er sei ihr Mentor gewesen, einer der wichtigsten Menschen in ihrem Leben; als er in New York starb, war sie dabei, ebenso wie tibetische Mönche, die am Totenbett rezitierten, während wegen eines Streiks der Müllabfuhr draußen die Ratten durch die Abfallberge sausten. Und dann legt sie los mit diesem Poesieorkan, der alles auf der Welt – vom letzten Dreck auf der Straße bis zur spirituellsten Erfahrung – als heilig erklärt. Großer Jubel.

Der brandet natürlich auch immer dann auf, wenn Klassiker auf dem Programm stehen, etwa „Redondo Beach“ vom Album „Horses“ (1975), „Pissing In A River“ von „Radio Ethiopia“ (1976) und „Because The Night“ von „Easter“ (1978). Viele, die hier im Stadtpark dabei sind, gehen da auf eine Zeitreise, waren sie doch vor mehr als 45 Jahren als Jugendliche dabei, als diese Meilensteine herauskamen.

Patti Smith mag nicht gehen: "It's so hard to say Goodbye"

Und dann kommt das, was bei einem Patti-Smith-Konzert einfach kommen muss: Als letztes Stück des regulären Sets das unvergleichliche „Gloria“, vom Publikum mitgesungen und durchbuchstabiert („G - L - O - R - I-I-I-I-I-I - A“), ein Moment kollektiver Ekstase, der sich bei der Zugabe wiederholt. Und die kann natürlich keine andere sein als das ewig mutmachende „People Have The Power“, eine hoffnungsvolle Grundhaltung, die Patti Smith mit jeder Faser verkörpert.

Mag das Weltgeschehen auch noch so schlimm sein (auf der Bühne ist eine ukrainische Fahne zu sehen), trotzdem einfach nicht aufgeben, sondern an Veränderung glauben – und etwas dafür tun. Darum geht es. „Don’t forget to use your voice“, ruft Patti Smith zum Schluss unter euphorischem Jubel ins Rund, und dann mag sie gar nicht gehen. Ein paar Handy-Fotos, zwei Papierflieger, die von der Bühne ins Publikum segeln, dieser Gemeinschaftsmoment ist einfach zu schön. „It’s so hard to say Goodbye“, gesteht sie – und dann ist sie irgendwann doch weg. Winkend.