Hamburg. LSO-Gastdirigent Gianandrea Noseda offerierte erst Beethoven, dann Schostakowitschs 15. – und sorgte so für ein Déjà-vu-Erlebnis.

Erst vor einem Monat war das London Symphony Orchestra mit ihrem Chef Sir Simon Rattle in der Elbphilharmonie zu Gast. Nun war es schon wieder in der Stadt, dieses Mal nur für einen Abend.

Und, schönes Timing, mit einem Programm, das wie ein Déjà-vu-Erlebnis des letzten Philharmoniker-Konzerts von Kent Nagano wirkte: Der hatte Schostakowitschs 14. und Beethovens 5. Klavierkonzert kombiniert – LSO-Gastdirigent Gianandrea Noseda offerierte zuerst den Beethoven und danach Schostakowitschs 15. Fast Gleiches, und doch dramatisch unterschiedlich beleuchtet.

Elbphilharmonie: LSO mit Ouvertüre wie bei Oscar-Verleihung

Die zwei wichtigsten Schlüssel zum Verständnis dieses Konzerts waren dabei unüberhörbar: Während Nagano interessiert den Orchester-Eröffnungs-Akkord dieses Klavierkonzerts zur Debatte gestellt hatte, über den Till Fellner die Akkordbrechungen mit noch abwartender Begeisterung legte, präsentierte Noseda als ersten Schlüssel-Moment den Eingang ins Stück wie die Ouvertüre der Oscar-Verleihung: Vorhang auf, was soll der Geiz, wenn schon Beethoven, dann auch „BEETHOVEN“, mit mehreren Ausrufezeichen und einer sehr eindeutigen Lautstärke.

Solistin Beatrice Rana teilte diesen Blickwinkel. Ab da war klar: Diese Beethoven-Deutung litt nun wirklich nicht unter zu niedrigem Blutdruck. Während Noseda das Orchester entschieden antrieb und dabei die Feinheiten der Themenzeichnung zumindest nicht ganz vergaß, langte Rana kräftig und klangsaftig in die Tastatur. Zur nobel grübelnden Ruhe kam sie im herzbrechend schönen Adagio, bevor sie sich im Finale wieder in den nächsten Temperamentsdurchbruch zu werfen hatte. Ein Hauch zu sensationistisch vielleicht, sehr italienisch, sehr viel Brio, auf jeden Fall unterhaltsam.

London Symphony Orchestra: Keine Halbherzigkeiten in der Elbphilharmonie

Schlüsselmoment Nummer zwei meldete sich im zweiten Satz der letzten Schostakowitsch-Sinfonie, die ein letztes Mal von einem Extrem ins andere zu fallen hat. Nachdem Noseda den scheinfröhlichen Kopfsatz anschaulich überdrehend als das entlarvt hatte, was er ist (das x-te Täuschungsmanöver dieses Komponisten über oberflächliche Aussagen und tatsächliche Bedeutungen), platzierte er im Adagio, nachdem die Blechbläser und das Solo-Cello sich mit ihren Sinnsuch-Aktionen abzuwechseln hatten, den Trauermarsch-Einschub als Vorahnung des Finales.

Dräuende „Walküre“-Zitate, eine Umspielung des „Tristan“-Akkords – das ganze Motiv-Mimikry als erschütterndes Nachdenken über Lebensläufe und Lebensenden. Noseda verstand, dass es um alles und das Nichts gehen sollte und enthielt sich der Eindeutigkeit der ersten Konzerthälfte.