Hamburg. Der Geiger spielt mit dem Zürcher Kammerorchester im Großen Saal. So ein Programm muss man erst mal durchhalten.
Peitschen knallen in höchster Geigenlage, die Schnüre beschreiben klingende Arabesken in der Luft, die Celli hacken ihre Beats in die Saiten, und harmonisch bewegt sich die Musik kaum von der Stelle. So schwungvoll klingt „Hoe Down“ von Aaron Copland und so wenig subtil. Das Stückchen stammt schließlich aus dem Ballett „Rodeo“.
Ballett? Rodeo? Copland wird sich etwas dabei gedacht haben. Das ist eben Amerika. Oder besser: „America“. Das ist die neue CD des Geigers und berufenen Musikvermittlers Daniel Hope, die er mit dem Zürcher Kammerorchester eingespielt hat. Auf ihrer Tour mit dem Programm schauen die Künstler in der Elbphilharmonie vorbei.
Elbphilharmonie: Daniel Hope spielt einen Abend lang solo
„Hoe Down“ ist das einzige Originalwerk des Konzerts. Den Rest gäbe es nicht ohne Paul Bateman. Der hat von Florence Price bis Leonard Bernstein arrangiert, was sich so für Violine und Streichorchester arrangieren lässt, und zwar mit Witz, instrumentaler Kenntnis und Inspiration.
Hope schüttelt also nicht nur die Moderation aus dem Ärmel, er spielt einen Abend lang Solo. Das muss man erstmal durchhalten. Bei „Adoration“ von Florence Price klingt sein Vibrato noch ein wenig fest, aber seine Guarneri del Gesù zeigt schon mal ihr verblüffendes Volumen und ihre betörende Wärme.
- „Ich wollte nie Sänger werden, bis es mir passiert ist“
- Ein Plädoyer für Schuberts Pleiten, Pech und Pannen
- „The Age of Anxiety“: Festival der begrenzten Möglichkeiten
Die erste Programmhälfte hängt stellenweise durch. Die Kadenz, mit der Hope von „Adoration“ zu „Come Sunday“ von Duke Ellington überleitet, gerät etwas lang, und in Leonard Bernsteins „West Side Story Suite“ spielt er ein paar Kantilenen zu viel und vor allem zu gleichförmig: süßes Vibrato, phänomenaler Geigenklang. Dafür entschädigt der Drive des Stücks, mündend in den berühmten Ausruf der Musiker: „Mambo!“
Daniel Hope nach Pause auf Betriebstemperatur
Bei Kurt Weills „American Song Suite“ nach der Pause ist Hope auf Betriebstemperatur. Wie beiläufig platziert er die rasanten Läufe und Doppelgriff-Glissandi. Und bei George Gershwins „Song Suite“ zünden die Künstler ein wahres Feuerwerk. Verstärkung bekommen sie von dem Jazzpianisten Johannes von Ballestrem, dem Gitarristen Joscho Stephan und dem Schlagzeuger Dimitri Monstein. Bei ihren Soli kommunizieren mit Augen und Gesten und reißen das Publikum zu Szenenapplaus hin.
Immer wieder beeindrucken Bratschen und Celli an diesem Abend mit plastischen Phrasierungen und klanglicher Präsenz. Dagegen könnte man die vielen Geigerinnen in ihren roten Abendkleidern stellenweise für Staffage halten, so sehr bleiben sie im Hintergrund, liefern hier ein bisschen Füllklang oder hauchen dort ein Gegenmotiv.
Daniel Hope: Am Ende gibt's Tschaikowsky
Und was mutet ihnen Hope als Zugabe zu, nachdem er den Saal mit Jazz und Swing zum Toben gebracht hat? Ausgerechnet den Walzer aus der Streicherserenade von Tschaikowsky, diese zart beschwingte Reminiszenz aus der Alten Welt. Wie halsbrecherisch die hohen, schnellen, erbarmungslos hörbaren Läufe für der Geigen sind, darf der Zuhörer nicht ahnen. Kann eigentlich nur schiefgehen, so ein Kaltstart.
Tut er aber nicht. Souverän und scheinbar federleicht tanzen sie den Walzer auf Spitze. Und holen das Publikum ganz sanft nach Europa zurück.