Hamburg. Daniel Behle und das L’Orfeo Barockorchester brillierten im Großen Saal der Elbphilharmonie – es gab nur einen einzigen Wermutstropfen.
Bei diesem Konzert im Großen Saal der Elbphilharmonie erging es dem leidenschaftlich engagierten Lead-Sänger nicht anders als dem Komponisten, dessen Werke auf dem Programm standen: Man hätte ihm für sein Plädoyer entschieden mehr Publikum gewünscht. Immerhin: Wer da war bei dieser Nachhilfestunde, war begeistert.
An der Musik selbst lag es auch dieses Mal nicht, rund 200 Jahre nach den vielen vergeblichen, gescheiterten, verstolperten Anläufen in Wien, die Franz Schubert wieder und wieder unternahm, um endlich auch einmal als Musiktheater-Lieferant erfolgreich zu sein.
Elbphilharmonie: Gaigg setzte auf die Zweite von Schubert
Der Tenor Daniel Behle, das L’Orfeo Barockorchester unter der rustikal energischen, effektstarken Leitung von Michi Gaigg, konnten für ihre Spezial-Schubertiade aus dem Vollen schöpfen: Acht vollendete Bühnen-Musik-Werke (viermal so viel wie Beethoven, zählt man „Fidelio“ und den zweieiigen Zwilling „Leonore“ einzeln) hat Schubert hinterlassen und ebenso viele Fragmente, weil er sich mit seinem Schicksal als Genre-Pechvogel nicht abfinden wollte. Doch nichts davon ist auch nur ansatzweise so bekannt wie der Lied-, Klavier- und Symphonien-Komponist Schubert.
Für den instrumentalen Rahmen dieser Raritäten hatte Gaigg sich die Zweite von Schubert ausgesucht, die einzelnen Sätze wie nah verwandte Zwischenmusiken zwischen die Bühnenmusiken gesetzt; ein aufbrausendes Frühwerk, das Gaigg als Personalstil-Musterkoffer für Späteres anpries. Ruppig und frech geradezu, rasant und selbstbewusst, mit knackigen Akzenten weit vom betulichen Klischee-Bild des verhuschten Einzelgängers entfernt. Es harnoncourte mächtig in dieser historisch informierten Deutung, der Schwung brachte das Ungeschliffene gut zur Geltung.
Behle versuchte Schwung in die Kostproben zu bringen
Mitunter wirkte Behles lichter, kräftiger, wagner-trainerter Tenor schon etwas zu groß für die Aufgaben. Diese noble Selbstbeschränkung fiel ihm schwer. Reizend aber war, wie behutsam und respektvoll er mit dem Material umging, ob es nun eine Arie aus „Adras war“ oder die allerliebst zarte Romanze aus „Die Zauberharfe“.
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- Nur ein Klangwechsel – aber Aufregung wie bei Außenwette
Während die Grundstimmungen sich oft ähnelten und im romantisch wabernden Handlungsdurcheinander Seelenzustände schilderten, versuchte Behle immer wieder, szenischen Schwung in die Schubert-Kostproben zu bringen, aus denen das fast schon dramatische „Wenn ich ihm nachgerungen habe“ aus der „geistlichen Oper“ „Lazarus“ als besonders eigen herausragte.
Elbphilharmonie: Behle bliebt ein Einzelkämpfer
Einziger, kleiner Wermutstropfen: Behles Solo-Mühen hätten ein leibhaftiges Gegenüber verdient gehabt. Eine Sopranistin, die das Angeschmachtetwerden hätte erwidern können. Einen Widersacher-Bariton, mit dem Behles Stimme in den Clinch hätte gehen können. So blieb es bei einem tollen Einzelkämpfer-mit-Orchester-Auftritt.
Aufnahmen: Schubert„Arien, Romanzen & Ouvertüren“ D. Behle, L’Orfeo Barockorchester (Sony Classical, CD ca. 5 Euro). „Alle Sinfonien & Fragmente“ L’Orfeo (cpo, 4 CDs ca. 40 Euro)