Hamburg. Alte trifft auf neue Musik: Ensemble Resonanz, Gitarrist Kalima und Sopranistin McFadden schaffen Wunderwerk der Verschmelzungen.
Man kann sich als zeitgenössischer Musiker und Komponist der Alten Musik zuwenden, indem man sie schablonenhaft eigenen Klangwelten gegenüberstellt. Man kann aber auch den Versuch starten, beides so zu vermischen, wie es ein Chemiker mit zwei verschiedenen Ausgangsstoffen tut, die daraufhin reagieren und neue Eigenschaften annehmen.
Diesen Weg ist der finnische Gitarrist, Komponist und Improvisationskünstler Kalle Kalima gegangen, dessen Werke im Mittelpunkt der „Resonanzen Drei“ mit dem Ensemble Resonanz in der Laeiszhalle standen. Mit dem englischen Barockkomponisten Henry Purcell und seiner Oper „Dido Aeneas“ hatte sich Kalima für die Opéra Lyon schon einmal in seinem Stück „Remember me“ auseinandergesetzt, und sein Konzert „Louhi“ für Gitarre und Streichorchester baut auf barocken Tanzsätzen wie der Gavotte, der Bourrée oder der Gigue auf.
Konzert Laeiszhalle: Neues Musiktheater, bei dem Grenzen verwischten
Mit dem Ensemble Resonanz und der US-amerikanischen Sopranistin Claron McFadden schuf er nun ein neues Musiktheater, das Teile dieser Werke mit Ausschnitten aus Purcells Oper verband. Alles ging dabei ineinander über. Die Grenzen verwischten, indem eine E-Gitarre die barocken Vorlagen quasi absorbierte, transformierte und eines das andere klanglich übermalte. Das Pulsieren von Rhythmen und förmliche Aufplatzen von Klangwellen, wie es der erste Satz aus Kalimas „Louhi“ begleitete, findet sich im übertragenen Sinn auch in Purcells originaler Ouvertüre oder dem „Tanz der Hexen“ wieder. Louhi ist übrigens auch eine Hexe, allerdings eine aus der nordischen Mythologie, von der die Kalevala erzählt.
In dieses Wunderwerk der Verschmelzungen von alten und neuen Klangwelten mischte sich die Sopranistin Claron McFadden mit berührend gesungenen Arien aus „Dido Aeneas“, aber auch Improvisationen zusammen mit Kalima und gesprochenen Texten, die wiederum einem ganz anderen Werk entstammten.
Das Verständnis des Abends war nicht einfach
Diese Vorgriffe auf das zum Schluss gespielte Stück „Coming together“ von dem 2021 gestorbenen Minimalisten Frederic Rzewski machte das Verständnis des Abends allerdings nicht einfach. In „Coming together“ geht es nämlich um einen aufregend poetischen Text des Terroristen und Bombenlegers Sam Melville, der kurz vor seinem gewaltsamen Tod 1971 in einer Haftanstalt entstanden war. Die bohrend vorantreibenden Sechzehntelfolgen eines Synthesizers begleiteten dabei schlicht rezitierte Textpassagen und es blieb jedem überlassen, daraus eine Beziehung zur Tragödie der Königin Dido von Karthago herzustellen.