Hamburg. Schöne Suiten, schlanke Streicher, smarte Skandinavier: Esa-Pekka Salonen sorgt für 80 Minuten Glück – auch im Orchester.

Manche Nachteile haben tatsächlich auch ihre Vorteile. Im zweiten Programm, das Esa-Pekka Salonen im Rahmen seiner längeren Residenz beim NDR hätte dirigieren sollen, war ursprünglich auch Großorchestrales von Ravel und Debussy geplant gewesen.

Doch weil die notwendigen PCR-Testkapazitäten inzwischen zu knapp für diese Ausmaße wurden, musste man notgedrungen zwei Gänge herunterschalten und kurzfristig umarrangieren; zu einem kürzeren, pausenlosen, kleinen, bläserfreien Sortiment mit drei skandinavischen Komponisten (einer von ihnen: der Finne Salonen selbst) und nur einer einzigen Solo-Klarinette mittendrin. Geht auch, mehr noch: ging sehr gut.

Elbphilharmonie: Esa-Pekka Salonen sorgt für 80-Minuten-Glück

So kam es dann also, dass ein auf große Auftritte abonnierter Musikmassen-Beweger wie Salonen nun auf einmal handliche, kleinere, aber deswegen keineswegs weniger lohnende Streicher-Delikatessen vor den Taktstock bekam, den er auch hier formschön und elegant wie ein biegsames Florett einsetzte.

Und das Ergebnis hatte so gar nichts von verkniffener Ausweichmanöver-Notwehr, sondern wirkte eher wie die schöne Gelegenheit, einem so detailversierten Dirigenten bei dieser Detailarbeit zuzuhören und zuzusehen, mit Musik, die ihm vielleicht nicht mehr allzu oft in den Terminkalender gerät. Andererseits, und schade: Übervoll waren die ohnehin schachbrettmusterartig reduzierten Publikumsreihen im Großen Saal der Elbphilharmonie eindeutig nicht.

Die NDR-Streicher schienen ihr 80-Minuten-Glück, eine ganz eigene Extra-Runde durch ureigenes Repertoire mit diesem Dirigenten drehen zu dürfen, jedenfalls sehr zu genießen. Ungeteilte Aufmerksamkeit, das Suchen und Halten der idealen Klanglinien. Vergnügen daran musste sich nicht erst entwickeln, das war unmittelbar präsent.

Salonen in der Elbphilharmonie: Großes Konzert, kleine Besetzung

Mit seiner Suite für Streichorchester, dem Opus 1 des immer noch viel zu unerhörten Dänen Carl Nielsen, hatte man aber auch eine verführerische spätromantische Rarität an den Anfang gesetzt. Salonen gelang das Kunststück, die Streicher darin selbst die Schönheit und den Einfallsreichtum zum sanften Leuchten bringen zu lassen, er war höchstens der Türöffner. Besonders apart im zweiten Satz, den Salonen wie freundlich aufgehellten Tschaikowsky strahlen ließ.

Salonens filmmusikalisch inspiriertes Klarinettenkonzertchen „Kínēma“, 2021 uraufgeführt, machte, ästhetisch ganz anders orientiert, weiter, wo Nielsen seinerzeit aufgehört hatte: beim fein gearbeiteten Erzeugen von Atmosphäre. Christoffer Sundqvist durfte zunächst debussyesk sanft mit wenig Bewegung über den Klangflächen schweben, bis es im Verlauf des Stücks in seinem Solo-Part dann doch offenkundig virtuoser und kleinteiliger zuging.

Mit Griegs humorvoll barockisierender Tanzsatz-Suite „Aus Holbergs Zeit“ fand das vollwertige Ersatz-Programm zu seinem runden Abschluss. Stilsicher ließ Salonen der Musik des Norwegers den Vortritt. Ein großes Konzert braucht nicht immer eine große Besetzung.