Hamburg. Zum Jubiläum des Ohnsorg-Schauspielers Oskar Ketelhut inszeniert Meike Harten „Ünner’t Lüchtfüer“ als berührende Komödie.

Leuchttürme – sie waren und sind beliebte Foto und Kalendermotive in aller Welt für Groß und Klein. Und oft auch einen Besuch wert. Im denkmalgeschützten Leuchtturm Roter Sand etwa konnten Touristen bis vor einem Jahrzehnt sogar übernachten, obwohl dieser mitten in der Unterweser steht, auf halbem Weg zwischen Bremerhaven und Helgoland. Dort arbeiteten einst drei Leuchtturmwärter im Schichtbetrieb.

Den Autor, Schauspieler und Übersetzer Arne Christophersen, 1970 in Flensburg geboren, faszinieren Leuchttürme offenbar derart, dass er sich zusätzlich von einer Reise-Reportage über den einsamsten Leuchtturmwärters Kanadas in der Provinz British Columbia zu einem plattdeutschen Theaterstück inspirieren ließ.

„Ünner’t Lüchtfüer“ im Ohnsorg-Theater: Fünf Minuten Beifall

„Ünner’t Lüchtfüer“, das 2014 in Flensburg seine Uraufführung gefeiert hatte, hat sich nun noch mal ordentlich gewaschen und bei der Premiere im Hamburger Ohnsorg-Theater nicht nur beim anwesenden Autor Anklang gefunden, sondern auch beim Publikum, wie der fünf Minuten lange Beifall zeigte.

Von Romantik ist in dieser Komödie jedoch erst mal nichts zu spüren. Lautes Möwengekreische und rauer Wind dringen bis ins Innere des Leuchtturms. Auf der kleinen, unbewohnten Insel im Nordmeer herrscht seit 14 Jahren der Leuchtturmwärter Paul - und vergrätzt einen Assistenten nach dem anderen. Postschiffer Herbert, der Paul alle zwei Wochen mit dem Nötigsten, versorgt, landet mit Nummer 46 an. „He ist nich so de humorig Typ“, warnt der Schiffer den jungen Bengt. Dessen einzige Hobbys seien das Sammeln vor Motorsägen und Gucken von ausgewählten Filmen. Statt „Das Kettensägen-Massaker“ jedoch lieber „Das Dschungelbuch“ ...

Nahezu idealtypische Besetzung

Als jener Paul – mit Motorradhelm und Kettensäge wirkt er eher wie ein Außerirdischer in Seenot – erscheint, erntet der junge Leuchtturm-Azubi mit seiner Redseligkeit bloß Kopfschütteln. Bengt, ein auf dem Festland gescheiterter und spielsüchtiger Online-Unternehmer für mehr oder weniger originelle bedruckte Oberteile, trägt seine Slogans recht provokant auf Kapuzenpullovern („#Wolken-Porno“) und T-Shirts („Insel-Fuzzi“) vor sich her, während Paul seine Anweisungen kurz und knapp auf DIN-A4-Zettel notiert hat: „Frühschicht von vier bis zwölf Uhr Mittag!“ und „Schlafen oben!“ steht darauf. Bei Bengts Frage nach „Baadstuuv“ und Dusche deutet Griesgram Paul auf eine Waschschüssel respektive eine rote Mini-Gießkanne. Und wehe Bengt übertritt die roten (Trenn-)Linien - die hat der Hausherr mit Klebestreifen nicht nur in der unteren Etage des Leuchtturms pedantisch markiert, sondern auch noch auf der Wendeltreppe.

In Katrin Reimers’ äußerst ansprechend gestalteter maritimer Rundkulisse aus Elementen früherer Ohnsorg-Stücken – Stichwort: Nachhaltigkeit – wie etwa „De Seewulf“ braucht es gar nicht viele Worte, damit es knistert und prickelt. Oskar Ketelhut als tyrannischer Leuchtturmwärter Paul, Till Huster als allen Naturen trotzender Fischer Herbert und Marco Reimers als so titulierter „blondierter Dackel“ Bengt sind nahezu idealtypisch besetzt. Lacher und Szenenbeifall garantiert.

„Ünner’t Lüchtfüer“ ist ein berührendes Stück

Und doch ist „Ünner’t Lüchtfüer“ mehr als eine bloße norddeutsche Typen-Komödie, es ist ein an- und berührendes Stück. Der mehrfach ausgezeichneten Meike Harten gelingt es wieder einmal mit feiner und sensibler Schauspielerführung und dem Gespür für Details in Mimik und Gestik, überraschende Facetten in jeder Figur herauszuarbeiten. Im Vorjahr wurde sie mit dem Ohnsorg bei den bundesdeutschen Privattheatertagen für ihre Uraufführungs-Inszenierung der Satire „Extrawurst“ als beste Komödie mit dem Monica-Bleibtreu-Preis geehrt. Jetzt zeigt die Hamburger Regisseurin gekonnt Zwischentöne und Zwischenmenschliches speziell norddeutscher Charaktere.

So kann auch Oskar Ketelhut passend zu seinem 25. Jubiläum als festes Mitglied des Ohnsorg-Ensembles überzeugen, indem an der Fassade seines Leuchtturmwärters mehr und mehr Risse und damit seelische Verletzungen in der Vergangenheit zum Vorschein kommen. Hat dieser Paul, unrasiert und fern der Heimat, als geschiedener Vater seine Tochter Nina ansonsten nur einmal im Jahr auf dem Festland besucht, gerät er nun nach dem per Brief angekündigten Besuch der Tochter ins Nachdenken.

Was will sie bei und von ihm? Flugs gilt es, im Inneren des Leuchtturms erst mal für Klarschiff zu sorgen – natürlich mithilfe des Assistenten Bengt. Der rät als Stilberater zu einem Wechsel von ollem Fellmantel zur jugendlichen Camouflage-Bomberjacke, nachdem Paul seine dreckigen Gummistiefel gegen hippe weiße Turnschuhe getauscht hat - damit auch das „Gesamt-Paket“ stimme, so Bengt. Das Eis zwischen den beiden scheint gebrochen.

„Ünner’t Lüchtfüer“ im Ohnsorg-Theater: Ende überrascht

Mit dem Eintreffen von Tochter Nina, von Julia Kemp als zarte, indes selbstbewusste, durchaus hemdsärmelige junge Frau gespielt, weht „Ünner’t Lüchtfuer“ ein frischer Wind. Da ist am Esstisch bei (Tiefkühl-)Spinat und Spiegelei sogar Platz für drei. Doch wer nun denkt, dass sich die beiden jungen Leute schon finden werden (wie einst im Ohnsorg in so vielen alten Bauernschwänken) und alles in Friede, Freude und Eierkuchen endet, dürfte überrascht werden.

Der findige Bengt hat zwar für die schlanke Nina auch ein T-Shirt („XXL-Brummer“) parat, als diese im Leuchtturm übernachtet. Doch die bittet ihren Altersgenossen vor alllem innig, gut auf den „Vadder“ aufzupassen, bevor sie Fischer Herbert wieder abholt. Und ganz am Schluss, da trägt Bengt ein schwarzes T-Shirt – ohne Aufdruck.

„Ünner’t Lüchtfüer“ wieder Do 20.1., 20.00, bis 26.2., Ohnsorg-Theater (U/S Hbf.), Heidi-Kabel-Platz 1, Karten zu 28,- bis 36,- unter T. 35 08 03 21; www..ohnsorg.de